Das Frühlingswetter und der Vorschlag einer Freundin trieben mich in den Biergarten. Die Kieselsteinchen auf den Straßen hat die Stadtreinigung zusammengefegt. Endlich wieder Inlineskates-Fahren! Genüßlich eine kühle Radlermaß trinken und dazu Obazda mit Breze essen. Vielleicht auch ein indisches Joghurt-Gemüse-Gericht, dessen Namen ich mir nicht merken kann. Wunderbar!
Doch was ist das? Die Meteorologen kündigen Regen an. Auf nassen Wegen ist nicht gut skaten, weil die Rollen dauernd seitwärts wegrutschen, außerdem muß man danach die Kugellager auseinanderbauen, säubern und neu schmieren, weil sie sonst rosten. Kurzentschlossen verlegen wir unseren Biergartenbesuch in den „Wintergarten“ am Elisabethmarkt. Da ist auch ein Biergarten und es ist näher. Viel näher sogar. Genauer gesagt ist es keine 100 Meter von der Redaktion des Fellow Passenger entfernt. So viel zum Sport.
Der kleine Biergarten ist nett, der Kellner auch. Er scheut allerdings, meiner Begleitung die schwierige Entscheidung „Apfel- oder Orangenschorle“ abzunehmen. Freie Entfaltung in der Ausübung seines Berufes schade ihm, erklärt er. Schweren Herzens serviert er schließlich Apfelschorle.
Es wird schnell ziemlich kalt draußen. Also gehen wir rein. Der Kellner serviert, jetzt etwas mutiger, Orangensaftschorle. Der Lärmpegel macht die Unterhaltung schwieriger. Mit schriller Stimme und agressiven Gebärden brüllt ein Äthiopier an der Theke wieder und wieder, „Ich bin ein Bayer!“
Meine Begleitung berichtet von ihrem Urlaub in Goa. Von idyllischen Plätzen, herzlichen Gastgebern und friedlich kiffenden Gästen erzählt sie. Sie schwärmt, wie angenehm entspannt ihr Lebensgefährte, mein langjähriger Freund, dort war.
Der äthiopische Bayer präzisiert indessen mehrfach und lautstark, „Ich bin ein Münchner! Ich bin ein Schwabinga!“
Unser Gespräch geht weiter. Eine Münchner Agentur suche einen Senior Art Director, sagt Sie. Ob sie sich schon beworben habe, fragte ich. Ich sei wie Ihre Mutter, schimpft sie. Ob sie die Stelle denn interessiere, korrigiere ich meine Frage. Ja, sagt sie, als sich Daniel, ein Freund des „Schwabingas“ zu uns gesellt. Der Papst sei gestorben erklärt er auf englisch, und fragt, wer der Nachfolger werden würde. Macht Vorschläge. Der da hinten im Eck mit dem weißen Zwirbelbart? Du, ich? Ich nicht, kontere ich, denn der Papst müsse Katholik sein. Ob ich Protestant sei, will er wissen. Ich sei überhaupt nicht religiös, erkläre ich. Das gefällt ihm. Er fragt meine Begleitung, ob sie englisch verstehe. Sie bejaht, gibt zu erkennen, daß sie Amerikanerin ist.
Daniel, der zweite Äthiopier im Wintergarten erzählt, er habe in Russland Mikrobiologie studiert. Es sei immer kalt gewesen. Minus 20 Grad Celsius. Dort würden deshalb unglaubliche Mengen an Vodka verzehrt. Mir viel ein, daß Konrad Adenauer deswegen vor einer Verhandlung mit Krustschow Öl getrunken haben soll, um nicht vorzeitig vom Stuhl zu kippen. Daniel kennt diese Geschichte und freut sich. Er will wissen, ob ich Russisch verstehe. Ich weise auf meine Begleitung und sage, sie könne Russisch. Sie unterhalten sich eine Weile. Alles was ich verstehe ist, „Njet, njet, njet!“
Sie bekommt einen Anruf von Ihrem Freund, er muß aufs Klo. Zu mir gesellt sich der „Schwabinga“. Wortreich erklärt er, daß Schwarze immer wieder diskriminiert werden. Ich verstehe ihn nur schlecht. Er wirkt etwas niedergeschlagen, manchmal kämpferisch provokativ. Vor allem ziemlich betrunken. Man solle lieber an Gott als die Kirche glauben, sagt er. Ich gebe ihm recht. Er glaube nur an was er sehe und an sich selbst. Das sei auch gut so, sage ich ihm.
Meine russisch-amerikanische Münchnerin kommt wieder an den Tisch und klagt, darüber daß Ihr Freund sie nicht mit dem Auto abholen möchte. Ich hätte zuweilen auch keine Lust, daß Haus zu verlassen sage ich. Zu Fuß bräuchte ich zu ihm 20 Minuten, auf Skates wäre sie leicht in 10 Minuten dort. Sie antwortet, sie wisse nicht ob sie ihn sehen wolle. Er sei nicht mehr so entspannt, wie im Urlaub. Die Alltagsroutine hole einen eben schnell wieder ein, denke ich laut.
Daniel und sein Freund wollen gehen, verstricken sich aber mit einem älteren Herren an der Theke in ein Gespräch über Begrüßungsrituale. Ich fühle mich bereits durch zwei halbe Radler und ein Helles geschwächt und möchte heim. Sie hat sich entschlossen zu ihrem Freund zu skaten. Wir zahlen und brechen auf.
Geregnet hat es übrigens nicht.
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