Monat: Juni 2005

  • Nachtgespräche

    Nachts gegen 0:30 in einer Kneipe in Schwabing. Leicht ermattet sitzt der Barmann mit dunkelgrauer Schiebermütze und exakt getrimmten Koteletten hinter dem Tresen. Ein Gast im Feinripp-Unterhemd und an einer wuchtigen Silberkette um den Hals befestigten Ring sagt zu ihm,

    „Ich sehe Dich vor mir als Mann. Gut, Du trägst eine Schürze, aber sag mir, wie kannst Du die Niederlage gegen 60 [Fußballverein TSV 1860 München, Anm. d. Red.] ertragen?“

    „Ist mir egal. Bayern ist nicht schlimmer als Deine Eintracht Frankfurt“, sagt der Barmann. Feinripp winkt ab, rückt mit der Hand seines vollflächig tätowierten rechten Armes seine Baseball-Kappe zurecht und wendet sich Fellow Passenger zu:

    „Bist Du 60?“

    „Nein.“

    „Bayern?“

    „Nein. Ich konnte mich bislang für keinen Fußballverein begeistern.“

    „Okay, ich habe ein neues Feindbild!“

    Wir müssen lachen. Eine junge Dame, Anfang zwanzig mit roten, blauen und blonden seitwärts kurzgeschorenen Haaren und einem Ring durch die Unterlippe unterhält sich mit einer anderen mit langen Rasta-Zöpfen, die einen Kopf kleiner ist:

    “ … 300 Euro! So ein Büschel Geld war das!“ Sie deutet mit Daumen und Zeigefinger die Dicke an. „Das hat er aus seinem Auto rausgehalten und mir direkt in die Hand gedrückt.“

    Ich betrachte die drei bunten Sterne, die sie auf die rechte Schläfe tätowiert trägt.

    „Einfach so?“, fragt die andere, die einen sehr spitzen Dorn durchs Kinn trägt.

    „‚Schenk‘ ich Dir‘, hat er gesagt. ‚Das Geschenk nehme ich gerne‘, habe ich gesagt. Dann habe ich das Geld gepackt und bin weggerannt. Ich bin ja nicht blöd.“

    „Ist er Dir hinterher?“, fragt die kurze Frau mit den langen Haaren.

    „Ich glaube nicht.“

    „Hast Du Dich umgedreht? Nein, du hättest es ja gehört.“

    „So schnell wäre der gar nicht aus dem Auto rausgekommen. Das war hier in der Hansastraße“, sie deutet auf einer Mediamarkt-Anzeige auf der Rückseite des In München eine Linie an. „Da geht gleich die Westendstraße weg“, zeigt sie auf dem improvisierten Stadtplan.

    „Das ist in München viel besser, als mit dem Typen in Holland.“

    „Ja, stell Dir vor, der Typ hat nach dem Fick angefangen ein Buch zu lesen.“

    „Wie? Er hat nicht mal mit Dir die Zigarette danach geraucht? Er hat sich einfach umgedreht und angefangen ein Buch zu lesen?“

    „Nein, er ist hat sich in den Sessel gegenüber gesetzt und sein Buch gelesen. Der wußte gar nicht, mit wem er es zu tun hat. Wir kannten uns ja nicht.“

  • Blumen statt Krumen

    Das Brot zur BUGA 2005 mit Blüten drauf

    Zur Bundesgartenschau 2005 hat die Münchner Bäcker-Innung ein passendes Brot erfunden. In dem rund 500 Gramm schweren Laib aus Sauerteig sind neben 13 Würzzutaten, wie zum Beispiel Kombucha-Extrakt und Korianderblätter auch Blütenblätter von Malven, Kornblumen, Rosen, Ringelblumen und Sonnenblumen verbacken. Dementsprechend trägt es den Namen „Blütenkruste„.

    Wenn man den Stiel schräg abschneidet und es sofort danach ins Wasser stellt, hält es angeblich bis zu 10 Tagen.

  • Taktstöckchen

    Die RIAA möchte mal die Blogosphäre ein wenig nach Urheberrechtsverletzungen durchleuchten und hat dafür diesen Kettenbrief lanciert, der mich über Herrn Niemeyer erreicht hat.

    Total volume of music files on my computer

    Eins. Es handelt sich um Friedemann Maria Weise mit seinem Titel „Eine gute Musik“. Das Musikstück beschäftigt sich mit dem struktuerellen Aufbau von guter Musik.

    The last CD I bought

    Ich habe Chicks on Speed “ Chicks on speed will save us all“ gleichzeitig mit Gry „public recording“ gekauft.

    Song playing right now

    Hier herrscht gerade Ruhe. Es könnte aber ein beliebiges Stück von „Bohren and the club of gore“ laufen. Egal, ob man die Fenster putzt, die Gattin schustert, oder sich vor eine Trambahn wirft: Das passt immer.

    Five songs I listen to a lot

    1. Leonard Cohen mit „First We Take Manhattan“
    2. „Walk on by“ von Cake
    3. „Loveless Love“ von den Feelies
    4. DJ Shadows „Organ Donor“
    5. „Youpi“ im Space spaghetti mix von Cournu

    Five people to whom I’m passing the baton
    Irgendwann muß es auch mal gut sein.

  • Kunstbesprechung

    Keinen Dunst von Kunst? Du möchtest aber mitreden können, damit Du auf einer Vernisage das Buffet plündern kannst, ohne aufzufallen? Gar kein Problem! Hier kommt ein Beispiel, wie man „sachkundig“ einen Akt beschreiben kann.

    Strichweibchen

    Der Künstler beschränkt sich in diesem Werk fast ausschließlich auf die Grundelemente der visuellen Gestaltung – Form, Fläche, Linie. Er verzichtet in dieser Bleistiftzeichnung völlig auf Schattierungen.

    In puristischer Strenge grenzt er in einem geometrischen System von Linien und Kreisen den Abbildcharakter der Wirklichkeit aus. In der reinen Abstraktion seiner Formkomposition findet sich aber dennoch der individuelle Charakter des Motivs wieder.

    Mit der radikal geometrisierten Formensprache ist der Anspruch verknüpft, eine wahre Ansicht der Realität zu geben, einer konstanten reinen Wirklichkeit, die unabhängig hinter dem sich permanent wandelnden Erscheinungsbild natürlicher Formen existiert.

    Der Bezug des Künstlers auf kindliche Ausdrucksformen ist durchaus doppelbödig: Er nutzte ihre elementare Einfachheit als Kritik an Konvention und Bildung. Dennoch war er sich über die Differenz zwischen Kinderkunst und einer bewußt vereinfachten Zeichensprache, die ihre Urspünglichkeit stets neu erschaffen muß, im Klaren.

  • Beep-Award

    Weblogs sind ein tolles Mittel der freien Meinungsäußerung. Unabhängig von Geldgebern und vorgesetzten Redakteueren kann jeder mehr oder weniger schreiben was er will. In Deutschland gibt es leider ein paar Einschränkungen. So darf man beispielsweise nicht beschreiben, wie man am Besten eine Handtasche klaut. Das verbietet nämlich der §130a des Strafgesetzbuches „Anleitung zu Straftaten“. So ein Gesetz findet außer in Deutschland sonst übrigens nur in Diktaturen Anwendung.

    Statt sich dafür zu schämen, führen sich ausgerechnet Blogschreiber teilweise noch viel schlimmer auf. Wärend sie für sich selbst die grundrechtliche Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen, verbieten Sie ihren Kritikern den Mund, indem Sie deren Kommentare löschen.

    Wie ein Blogger sein Kommentarwesen handhabt, ist natürlich seine Sache. Allerdings muß er damit leben, daß er mit dem Löschen von Meinungen nicht nur Zustimmung erfährt.

    Bei Frau Kaltmamsell wurde dieses Thema bereits im Februar ausführlich und anschaulich besprochen. Dennoch bleibt es aktuell, wie bei unter anderem bei Frau Grönert, Herrn Schewe, Herrn Zenzizenzizenzic zu sehen ist.

    Deswegen verleiht der Fellow Passenger ab jetzt den Beep-Award für Blogger, die Kommentare gelöscht haben. Angestrebt ist eine monatliche Verleihung und eine Seite für Nominierungen. Ich vertraue darauf, daß es für WordPress ein passendes Voting-Plug-In gibt.

    Die Trophähe ist ein Button im beliebten 80-mal-15-Pixel-Format. Der schwarze Hintergrund soll an die Balken erinnern, mit denen unliebsame Informationen auf Papier unkenntlich gemacht werden. Die Aufschrift „*beep*“ ist als Anlehung an den in Nordamerika üblichen Umgang mit freier Meinungsäußerung im Multimedialen Umfeld gedacht.

    So sieht der Preis aus:

    Weil das Voting noch nicht läuft, hat die Redaktion intern abgestimmt und verleiht die ersten beiden Beeps an Anke Grönert für die Löschung von Herrn Bloom und Don Alphonso für die Löschung von bourgeoisie.