Das Denkmal für die ermordeten Juden in Europa sorgte schon lange vor seiner Entstehung immer wieder für Kontroversen, die mit derart großer und vor allem krampfhaften Ernsthaftigkeit geführt wurden, so daß daraus nicht nur eine Gedenkstätte entstand, sondern auch ein steter Quell bizarrer Komik.
Beachtlich ist schon der Zeitraum, den es zu seiner Entstehung brauchte. Gefordert wurde das „deutsche Bekenntnis zur Tat“ schon 1988, von einer Berliner Bürgerinitiative. So ein Vorhaben wollte gründlich überlegt sein. Wie die Regierungen, kamen und gingen auch die Entwürfe. Unter ihnen der erste Vorschlag von Architekt Peter Eisenmann. Beschlossen wurde nichts, nur immer wieder ein bißchen geredet. Mal legte Ingnaz Bubis wert auf die Feststellung, daß die Juden dieses Denkmal für Ihre Trauer nicht benötigen. Mal suchte Helmut Kohl, damals Bundeskanzler, einen Bauplatz aus.
Eine riesige Grabplatte sollte es zwischenzeitlich werden, mit Millionen Namen von Opfern als Inschrift. Das war dann aber so, als bauten die Erben der Täter den Opfern einen Friedhof. Das war unpassend genug, um sich nicht durchzusetzen.
Im Juni 1999 trat das Projekt in die heiße Phase ein. Der Bundestag entschied sich für „Eisenmann II“ zuzüglich „Ort der Information“, ein Feld aus dem 2711 Betonblöcke aufragen samt einem Keller, mit Informationen zum Thema Holocaust. Daß der Keller an einen Bunker erinnert ist, einer dieser unfreiwilligen Scherze. Immerhin stand an dieser Stelle einst der Bunker Goebbels.
Bei einem solch bedeutungsschweren Bauvorhaben darf natürlich schon aus Pietät nirgendwo gespart werden. Daraus erwuchs weiteres Ungemach dergestalt, daß statt der geplanten 7,5 Millionen Euro, der Bau dann doch 27,5 Millionen kostete. Selbstverständlich muß Deutschland das bezahlen und zwar ohne Zähneknirschen.
Für Politisch korrekten Rostschutz waren weder Geld noch Nerven übrig.
Immerhin wird von einem solchen Bauwerk auch erwartet, daß es Atombomben, Erdbeben und Grafitti-Künstler übersteht und das alles möglichst Spurlos. Deswegen mußten die zwischen 20 Zentimeter und 4,50 Meter hohen Betonquader imprägniert werden, woraus sich die nächste Panne ergab: Das adäquate Mittel „Protectosil“ stammt von Degussa. Dieses Unternehmen hat nun aber noch eine ganz andere Verbindung zum Thema des Mahnmals, nämlich als Hersteller von jenem Gift mit dem unzählige Juden in Hitlers Konzentrationslagern ermordet wurden. Sofort erfolgte ein Baustop. Es wurde hysterisch „Zyklon-B“ gerufen und eifrig darüber gestritten, ob Degussa als Lieferant tragbar ist. Die Tragfähigkeit der Mahnmal-Initiative ist offenbar variabel. Wenn Degussa kostenlos liefern würde, schwänden die moralischen Bedenken, ließ man wissen. Genaugenommen war Degussa nur am herstellenden Unternehmen, der Degesch beteiligt und zwar zu 42,5 Prozent. Bekanntlich stammt auch die Idee, Menschen mit Rattengift zu töten nicht von Degussa. Allein Peter Eisenmann zeigte sich über die hysterische Betroffenheit erhaben und drängte darauf, endlich die politisch umstrittene Imprägnierung einzukaufen. Das war wohl das Beste, denn der im Fundament bereits längst verbaute Betonverflüssiger war ja auch von einer Degussa-Tochter.
Kaum zu glauben aber war, im Mai 2005 wurde das Denkmal tatsächlich fertiggestellt und eingeweiht.
Zwischenzeitlich versuchte Lea Rosh, die Initiatorin des Mahnmal-Projektes noch eben den Backenzahn eines in Belzec ermordeten Juden in einer der Stelen einschließen zu lassen. Das wiederum kritisierte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, als geschmacklos. Eigenmächtig Teile von Leichen außerhalb von jüdischen Friedhöfen zu plazieren, grenze an Blasphemie. Der Zahn ging zurück nach Polen.
In Zweierreihen anstellen und an den Händen fassen und wehe einer kichert
Doch schon erhitzen sich erneut die Gemüter. Es blieben keineswegs alle Besucher betroffen vor dem Stelenwald stehen und gedachten hängenden Kopfes der Opfer. Kinder beispielsweise entdeckten schnell, daß sich die 95 Zentimeter breiten Gänge hervorragend eignen um Fangen zu spielen. Liebespaare küßten sich unbeobachtet. Auf den niedrigeren Blöcken ruhten sich Besucher aus und sonnten sich. Andere hüpften von Block zu block und wieder andere fanden das alles ganz schrecklich unangemessen. Also reagierten die Deutschen typisch deutsch und erfanden eine Verordnung, wie man sich beim Besuch des Mahnmals zu verhalten hat und wie nicht. Das wurde dann an allen vier Seiten des Geländes in den Boden weiß auf schwarz niedergeschrieben. Damit sich jeder daran hält wurde ein privater Sicherheitsdienst engagiert, das Verhalten der Besucher zu kontrollieren.
Aber es nahm kein Ende. Findige Geschäftsleute taten was naheliegend erschien und eröffneten gegenüber eine Imbißbude. Sofort machte sich neues Entsetzen breit und es kam die Frage auf, darf man beim Gedenken auch essen? Bald wird vermutlich eine Reform der Mahnmalsordnung nötig werden, die das Kauen von Kaugummi und das Schwätzen mit dem Nachbarn untersagt. Wer mit dem Lineal Papierkügelchen verschießt muß Nachsitzen.
Bemerkenswert ist, daß sich aller Berufsbetroffenen ausgerechnet darüber ereifern, wofür Eisenmann sich begeistert. Er habe befürchtet, sagte er dem Tagesspiegel, daß die Besucher nicht wagen, in das Feld hineinzulaufen und am Rand vorbeigehen. Das bunte Treiben stört ihn keineswegs: „Die Leute sitzen, stehen, springen auf allen Mahnmalen dieser Welt. Das ist doch ein Zeichen dafür, daß sie gerne dort sind. Das ist gut.“
Weil das Mahnmal ausschließlich den ermordeten Juden Europas gewidmet ist, dürfen wir sicher bald mit vielen weiteren Projekten dieser Art rechnen, denn die Nazis haben ja auch eine Menge anderer ermordet. Vielleicht könnte ja der Berliner Bürgermeister eine Initiative ins Leben rufen, die sich für ein Gedenken an die von den Nazis ermordeten Homosexuellen einsetzt.
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