Ein gepflegtes Bier

„Was ist eigentlich ein gepflegtes Bier?“, fragt Johnny Häusler in seinem neuesten Podcast auf Spreeblick. Der Bedeutung dieses eigenartigen Begriffs ist der Fellow Passenger einmal nachgegangen.

Über die Pflege des Bieres bekommen die Wirte von den Brauereien umfangreiche Abhandlungen. Da geht es neben der richtigen Lagertemperatur zwischen 6 und 8 Grad Celsius auch darum, daß die Fässer nach dem Transport zuerst einige Zeit ruhen müssen, ehe sie angezapft werden dürfen.

Eine wesentliche Rolle spielt auch, wie die die Gläser gespült werden. Haushaltsspülmittel sind ungeeignet, weil sie entweder Fettspuren oder eigene Rückstände hinterlassen können, die den Schaum des Bieres in kürzester Zeit zusammenfallen lassen.

Auch das Zapfen selbst erfordert eine gewisse Kunstfertigkeit, will man der Pflege des Bieres genügen. Zapft man das Bier in einem Zug, so bildet sich ein relativ grobporiger Schaum, der rasch wieder zusammenfällt. Feiner, fester und haltbarer wird der Schaum beim Zapfen in mehreren Anläufen.

Dafür zapft man zunächst schnell unter starker Schaumentwicklung, bis das Glas — vorwiegend mit Schaum — gefüllt ist. Nun heißt es abwarten, bis der Schaum sich um die Hälfte gesetzt hat. Dabei platzen vorwiegend die großen Bläschen, während die kleinen erhalten bleiben. So wird der Schaum fester. Dann schenkt man nach und wartet erneut. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt, bis das Glas optimal befüllt ist. Das ist dann der Fall, wenn die Flüssigkeit knapp zwei Finger breit unter dem Eichstrich steht und der Schaum einen Finger breit über den Glasrand hinaussteht. (Für Erbsenzähler: Schaum hat etwa das doppelte Volumen von Bier. Wenn eine Halbe wie beschieben aussieht, sind tatsächlich 500 ml Bier drin.)

Das Ergebnis ist ein gepflegtes Bier, wie es inzwischen leider eine Seltenheit ist.

Heute muß ja alles immer möglichst schnell gehen. Deswegen wird ein Bier in einem Rutsch gezapft und weil der Schaum meist schon weg ist, wenn die Bedienung es abholen kommt, haben Zapfhähne inzwischen längst einen Schaummodus. Der Schankkellner drückt, sobald die Bedienung naht, den Hebel in die entgegengesetzte Richtung wodurch nur Schaum aus dem Zapfhahn auf das schaumlose Bier im Glas quillt. Auch dieser Schaum hält kaum länger als 30 Sekunden, was gerade reicht, um das Bier zum Gast zu tragen.

Darum steht der Begriff gepflegtes Bier inzwischen auch für ein Bier, daß in aller Ruhe genossen wird.

Kommentare

3 Antworten zu „Ein gepflegtes Bier“

  1. Avatar von Steffen

    Wo „Wir zapfen ein gepflegtes Bier“ dransteht, kehrt man besser nicht ein. Zumindest sind diese Dunkle-Holz-Kneipen in Berlin gewöhnungsbedürftig. Der Zapfhahn nebst metallischer Rückstände auch.

  2. Avatar von Ole

    Ein würdiger Text für ein würzdiges Lebenselixier.

  3. Avatar von Fellow Passenger

    Wenn ich mal nach Berlin komme, werde ich Ihren Rat beherzigen, verehrter Herr Steffen. Hier bin ich auf solcherlei Werbung noch nie gestoßen.

    Eine Bemerkung mit Stammwürze, bester Herr Ole.

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