Monat: Oktober 2006

  • Nur echt durch Fernverkehr

    In der Gegend um die italienische Stadt Parma fahren ziemlich viele Lastwagen herum, die Schweine geladen haben. Klar, denkt man gleich, die werden bald Parmaschinken sein. Dann fragt man sich allerdings, was mit den restlichen Körperteilen geschieht, die ja den überwiegenden Teil so eines Tiers ausmachen. Vor allem darf man sich wundern, warum die Fahrzeuge ebenso wie die Schweine offensichtlich dänischer Herkunft sind. Nicht daß grundsätzlich zu befürchten wäre, dänische Schweinehintern könnten weniger schmackhaft sein als italienische. Außerdem gilt für Europäer Freizügigkeit. Da ist es doch auf jeden Fall zu begrüßen, wenn Schweine so unbürokratisch eingebürgert werden können. Automatisch die Nationalität des Landes zuerkannt zu bekommen in dem man stirbt ist immerhin ein Anfang. Vielleicht kommt eines Tages schließlich die Geburt dafür in Betracht. Womöglich sogar auch für Menschen.

    Bei der Genese von regionalen Delikatessen ist also vor allem die Prozedur der Herstellung entscheidend. Bei Schinken zumindest. Bei Sekt ist die Lage wieder ganz anders. Wer in Spanien Schaumwein fabriziert und sich dabei der Methode bedient, die dafür auch in der französischen Champagne angewandt wird, darf dies nicht auf die Flaschen schreiben. Vor einigen Jahren wurde deswegen aus der Methode Champagnoise die Méthodo Tradicional. Auf dem Rechtsweg. Das Verfahren der Herstellung von Cava, wie der Spanische Perlwein heißt, ist freilich nach wie vor das gleiche. Nur sagen darf man das nicht.

    Es darf überhaupt erstaunlich vieles nicht gesagt werden. Wer beispielsweise seine Abneigung gegen Nationalsozialismus kenntlich machen möchte, darf dafür kein durchgestrichenes Hakenkreuz zeigen, weil er sonst wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole vor Gericht gestellt werden kann, wenn es nicht im Rahmen einer etwas glücklosen aber millionenschweren Image-Kampagne wie „Du bist Deutschland“ geschieht. Wie sagt man dann, warum man diese eine Partei nicht haben will. Sie wissen schon. Die die diesen Schickelgruber aus Braunau so gut findet, der später Hüdler geheißen hat und sich dann so ähnlich nannte, wie man aber nicht sagen darf. Kann man eigentlich noch definieren, was man da überhaupt verbieten möchte? Also ich meine jetzt diese sich rechtwinklig überschneidenden Linien, die an den Enden jeweils im Uhrzeigersinn rechtwinklig angeordnete Striche haben.

    Vermutlich darf man auf eine Flasche Sekt nicht einmal schreiben, „das ist kein Champagner“. Man mag sich fragen, ob 34.000 Hektar überhaupt ausreichen können, genügend Weintrauben anzupflanzen, um die 300 Millionen Liter des beliebten Getränks zu keltern, die jährlich weltweit verkauft werden.

    Beim Käse geht es offenbar geringfügig liberaler zu. Parmesan muß nicht aus Parma kommen, sondern darf auch rund um Bologna, Modena oder Mantova hergestellt werden. Zu den gängigen Zutaten zählt heute auch ein RFID-Chip in der Rinde. Offenbar kann man sich auf den Geschmack als Erkennungsmerkmal längst nicht mehr verlassen.

    Wirklich verwunderlich ist das nicht, wenn man bedenkt, daß es einem deutschen Unternehmen namens Hindelang bereits in den frühen 80er Jahren gelungen ist, Feta, einen griechischen Schafskäse, nicht nur in Deutschland aus Kuhmilch herzustellen, sondern ihn sogar nach Griechenland zu exportieren.

    Es gibt also keinen Grund, anzunehmen, daß die dänischen Schweine, die in Parma geschlachtet werden, abzüglich ihres Hinterteils, nicht alsbald in Form von Original Münchner Weißwurst in Paris veräußert werden. Streng nach Vorschrift natürlich.

  • Ihre Anzeige für Zuckerrohrschnaps,

    sehr geehrte Frau Gabriela,

    haben Sie offenbar in großer Hast oder in bestürzend geringer Sachkenntnis verfasst. Abgesehen von der etwas unglücklichen Plazierung unter unserem steinalten Artikel „Papstwahl ungültig“ und dem Umstand, daß wir grundsätzlich keine gewerblichen Inserate veröffentlichen, zeigt sich die im Anzeigentext aufgeführte Rezeptur zu Herstellung von Caipirihna derart miserabel, daß einem schon beim Lesen übel wird.

    Wenn Sie sich schon nicht entscheiden können, ob man eine halbe oder eine ganze Limette verwenden soll und ob es besser wäre, nur vier oder eher sechs „Zl“ Ihres Destillats draufzukippen, schreiben Sie doch lieber gleich:

    Beliebige Zitrusfrucht mit reichlich Lösungsmittel verrühren und nach Bedarf süßen.

    Keine Ursache!

    Ihre Schwarzbrenner vom Fellow Passenger

  • Ohne Sprache keine Stimme

    Die englische Sprache ist mir durchaus nicht fremd. In meiner gesamten Schullaufbahn galt ich in diesem Fach stets als Klassenbester. Zum Verdruß meiner Lehrer sogar ohne mich je dafür anzustrengen. Aufenthalte in den USA und Kanada über jeweils mehrere Monate haben gezeigt, daß ich mich durchaus auf Englisch verständlich machen kann.

    Dennoch bleibt es aller Vertrautheit zum Trotz eine Fremdsprache. So fühlte ich mich in auf Englisch gehaltenen Gesprächen immer wieder in meinem Mitteilungsdrang eingeschränkt und in anspruchsvolleren Unterhaltungen unterlegen. Meine Auffassung so genau auszudrücken wie ich es möchte, gelingt mir – wenn überhaupt – nur auf Deutsch.

    Dabei bin ich selbst des Deutschen nur eingeschränkt mächtig. Immer wieder ertappe ich – oder schlimmer – ein anderer mich bei Fehlern. Von flüchtig begangenen Rechtschreibfehlern abgesehen, sickern zu meinem blanken Entsetzen immer mehr grammatikalisch unvertretbare Entgleisungen in meinen Sprachgebrauch. „Neu renoviert“, „aufaddieren“, „die aktuellsten“, „macht Sinn“, sind Stilblüten, die mir auffallen und deswegen üblicherweise nicht entfahren. Dennoch weiß ich, daß es andere gibt. Eben jene, die mir jetzt nicht einfallen, weil sie sich meiner Wahrnehmung bereits entziehen.

    Längst sehe ich mich tagein, tagaus einem nimmerversiegenden Strom baren Sprachunsinns ausgeliefert, der auch mein letztes Vermögen mich auszudrücken aus meinem Hirn zu spülen dräut. Die unsägliche Rechtschreibreform, der man sich ihrer Allgegenwart wegen auch beim besten Willen nicht entziehen kann, ist dabei noch das geringste Übel. Dem größten Quell der Sprachverdummung, dem Fernsehen, setze ich mich schon seit Jahren gar nicht mehr aus. Dennoch es gibt offenbar kein Entrinnen. Ich unterhalte mich mit Menschen, die zusehends ihre Sprache der des Fernsehens angepasst haben. Gewerbliche Anbieter von Waren und Dienstleistungen traktieren mich mit ihren bis zur Unkenntlichkeit vereinfachten Sprachhäppchen. „Exklusiv für unsere Kunden: Die besten Live-Songs der O2 Music-Flashs kostenlos!“, klatscht mir eine Fernsprechgesellschaft über das Internet ins Gesicht. Die offenbar von dieser Art Dienstleister grundsätzlich hinter jedem Satzfragment angefügte Fußnote weist nur darauf hin, daß dieses Angebot mit nicht näher bezeichneten Kosten verbunden und nur befristet gültig ist. Erstaunlich genug. Was aber eigentlich der Gegenstand der Offerte ist, bleibt im Dunklen. „Dieser Zug endet hier“, radebricht die Deutsche (!) Bahn AG mir per Lautsprecheranlage entgegen, meint dabei aber wohl weniger den Zug als die Fahrt.

    Ich kann mich selbst mühen, mir meine Muttersprache zu erhalten. Aber was hilft es schon, wenn ich eines Tages der einzige bin, der sie noch versteht? Wie soll man sich in einigen Jahren überhaupt noch verständigen, wenn die unsere Sprache bis dahin auf SMS-Niveau eingedampft ist? Was ist zu erwarten, wenn jene, denen ihre Muttersprache schon heute eine Fremdsprache ist, eines Tages anfangen, Gesetzestexte zu verfassen?

    Aus Protest gegen die Verwahrlosung der Sprache möchte ich dazu auffordern, künftig auf das Wort „Handy“ zu verzichten. Wesentlich treffender ist doch die Bezeichnung Taschenfernsprecher, die ich fortan zum guten Beispiel verwenden will.

  • Überwachungsstrahlung

    Überwachung ist ja ein bißchen so wie radioaktive Strahlung. Man sieht, hört, schmeckt und riecht nichts davon und wenn man hinterher merkt, daß man ihr ausgesetzt war, also durchleuchtet wurde, ist sowieso nichts mehr zu machen.

    Mit ähnlicher Sorglosigkeit wie in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit Röntgenstrahlen in Schuhgeschäften überprüft wurde, ob das zu erwerbende Schuhwerk richtig sitzt, stellt man heute an jeder Ecke Videokameras auf, führt über sämtliche Telefonverbindungen Buch, erfasst die Fingerabdrücke der ganzen Bevölkerung, speichert wer wann welche Daten über das Internet übertragen hat, zeichnet auf, was man im Supermarkt oder anderswo kauft und beäugt jederzeit argwöhnisch die Bankkonten der Bürger.

    Einen Unterschied zwischen ionisierender Strahlung und Überwachung gibt es allerdings: Die schädliche Wirkung der von Conrad Röntgen entdeckten Strahlung war in den 20er Jahren noch unbekannt.

  • Mundfotzen

    Wo eigentlich heißt es denn „so schön“, Y.E.T.I. Inc., Usbekistan,

    „wer nicht will, der wird eben gewollt“, wie Sie in Ihrem Schreiben vom 4. Oktober 2006 behaupten, in dem Sie ferner die Auffassung vertreten, Vergewaltigungen wären durch das „Recht des Stärkeren“ gedeckt und zudem von den Opfern insgeheim gewünscht, die anderenfalls ja darauf verzichten könnten, sich in Ihren Augen als „S-e-x-püppchen“ zu gerieren?

    „Wenn wir mit diesen Schlampen fertig sind, brauchen sie psychologische
    Betreuung“, schreiben Sie weiter und fabulieren bei dieser Gelegenheit über geknebelte „Mundfotzen“. Die von Ihnen zu diesem und anderen sexuell orientieren Themen angebotenen Internetseiten wollen wir lieber gar nicht sehen. Über die Vorzüge einer psychologische Betreuung könnten Sie aber ruhig einmal nachdenken, ehe Sie demnächst nachts herumrennen und erst Kehlen durch- und anschließend Gebärmütter herausschneiden. Es könnte ja sein, daß Sie selbst für die Verhältnisse in Usbekistan nicht mehr ganz dicht sind. Das meint zumindest Ihr

    Fellow Passenger