Warum Staat und Kirche sich nicht trennen wollen

Möglicherweise hat das brustbehaftete Kanzlerwesen Merkel angenommen, wer die Mitgliedsbeiträge für die beiden größten deutschen Weltanschaungsvereinen eintreibt, könne dadurch diesen vorschreiben, welche Mitglieder sie aufnehmen dürfen und vor allem auch welche nicht. Ein peinlicher Irrtum, denn Merkel wurde zum Vereinsvorsitzenden der Katholischen Kirche, Joseph Ratzinger, gar nicht erst vorgelassen [1]„Merkel fordert Klarstellung vom Papst“, Tagesschau, 03.02.2009. Das verwundert nicht, denn weder trägt sie Röcke, wie es sich aus Sicht Josephs neuer Freunde geziemt, noch hat sie sich endlich von diesesen evangelischen Sektierern losgesagt, die die Stirn haben, den Pontifex nicht als als das weltliche Oberhaupt des gesamten Christentums anzuerkennen.

Da hätte das Merkel viel besser ihren Bundesinnenminister geschickt. Ratzinger hätte aus seiner Zeit in der er der Kongregation für die Glaubenslehre, der Nachfolgeorganisation der Römischen Inquisition [2]„Kongregation für die Glaubenslehre“, Wikipedia vorstand viel leichter Anknüpfungspunkte gefunden, bei einem Mann, der öffentlich erklärt, „Einen Rechtsstaat macht aus, dass Unschuldige wieder freikommen“. So klingen die Worte eines überzeugten Großinquisitors. Da mag ihm verziehen werden, daß auch er evangelisch ist.

Nachdem es sich aber so nicht ereignet hat, wäre es mal wieder an der Zeit, zu überlegen, ob man in der Frage der Trennung von Kirche und Staat, nicht endlich reinen Tisch machen soll. Das, was der Artikel 4 des Grundgesetzes [3]Art. 4 GG, dejure.de verlangt. ist in Deutschland bei weitem nicht umgesetzt.

Nicht nur, wie eingangs erwähnt, sind die christlichen Kirchen die einzigen Weltanschauungsvereine, deren Mitgliedsbeiträge durch den Staat eingezogen werden. Moslems, Juden, Hindus, Buddhisten müssen also selbst sehen, wie ihre Glaubensklubs zu Geld kommen.

Auch hilft es einem rational denkenden Menschen nicht, einfach keine Kirchensteuer bezahlen zu müssen. Sobald er arbeitslos wird, wird sie ihm, „der Einfachheit halber“ trotzdem abgezogen.

Da Bischöfe zumindest in Bayern schon seit 1924 nicht über die Kirchensteuer bezahlt werden, sondern direkt aus der öffentlichen Hand, hat der Deutsche Bürger keine Wahl, als die Kirchen finanziell zu unterstützen. Mit völliger Selbstverständlichkeit verbreiten an unseren Schulen Religionslehrer den wahren, also christlichen Glauben, werden aber für ihre Missionarstätigkeit nicht von der Kirche bezahlt, sondern vom Kultusministerium.

Bei Ihrem Antrittsbesuch in Castel Gandolfo hat das Merkel dem Papst erzählt, „… dass wir eine europäische Identität in Form eines Verfassungsvertrages brauchen und … dass der Bezug auf das Christentum, der Gottesbezug aus unserer Sicht ein sehr wesentlicher Teil sein sollte“ [4]„Merkel zu Privataudienz beim Papst“, Tagesschau, 28.08.2006.

Diese Aussage macht deutlich, daß Staat und Kirche durchaus daran festhalten werden, gemeinsame Sache zu machen, solange es sich um den wahren und richtigen Glauben handelt und nicht etwa Islam, Judentum, Hinduismus oder Buddismus.

Kirche und Staat werden sich aber auch deswegen nicht entflechten lassen, weil Politiker und Kleriker einem gemeinsamen dogmatischen Denkmuster folgen. Es lautet: „Was gut und richtig ist, bestimme ich.“ Lästige Fakten, wie sie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages immer wieder herausarbeitet, dienen allein dafür, zu demonstrieren, mit welch moderner Milde man heute mit Ketzern umgeht. Die Gutachten und Gutachter werden nicht mehr am Scheiterhaufen verbrannt, sondern einfach ganz unblutig ignoriert.

Dabei würde sich ein Blick ins benachbarte Frankreich lohnen. Dort leben so viele Anhänger unterschiedlichster Glaubensrichtungen, daß unser Deutsches Modell dort unverzüglich scheitern würde. Der Laizistische Staat aber, hat sich in Frankreich längst bestens bewährt [5]„Laizismus in Frankreich’“, Wikipedia. Nachdem im Einwanderungsland Deutschland längst nicht mehr nur Christen die Mehrheit bilden, wäre es höchste Zeit, Frankreich in dieser Angelegenheit zu folgen.

References
1 „Merkel fordert Klarstellung vom Papst“, Tagesschau, 03.02.2009
2 „Kongregation für die Glaubenslehre“, Wikipedia
3 Art. 4 GG, dejure.de
4 „Merkel zu Privataudienz beim Papst“, Tagesschau, 28.08.2006
5 „Laizismus in Frankreich’“, Wikipedia

Kommentare

4 Antworten zu „Warum Staat und Kirche sich nicht trennen wollen“

  1. Avatar von Pecas

    Jetzt reicht es bestimmt auch vielen, denen es bislang noch nicht so richtig gereicht hat.
    Danke für den Artikel, Herr Fellow Passenger.
    Darf ich zwei interessante, weiter- bzw. in die Tiefe führende Links zu diesem gerade so heiss an die Oberfläche geschwalbten Thema anbieten:
    Da ist zum einen ein für die Festausgabe anlässlich der 100. Nummer der in Paris erscheinenden Zeitschrift Europe et Laicite [die einschlägigen accents bitte hinzudenken] geschriebener, deutschsprachiger Artikel „eines der profiliertesten Atheisten der Bundesrepublik“, wie es im Vorspann heisst, Herrn Dr. Otto Bickel aus München: , „Laizismus in Deutschland“.
    Und zweitens eine auch sehr aufschlussreiche Sache, der Text einer Festansprache zum 150. Geburtstag der freireligiösen Gemeinden (Deutschlands), die deren Vorsitzender Dr. Eckhardt Pilick am 21. Oktober 1995 in der Frankfurter Paulskirche unter dem Motto „Impulse der Vergangenheit hielt:

  2. Avatar von Pecas

    Hoppla, das Setzen der Links hat nicht geklappt; also hier zum händischen Copy/Paste:
    1) http://ibka.org/artikel/miz84/laizismus.html
    2) http://www.eckhartpilick.de/paulskirche.htm

  3. Avatar von Fellow Passenger

    Vielen Dank für die Lesetips, mein lieber Herr Pecas. Herr Bickel war, wie ich gerade herausfand, Mitbegründer der Humanistischen Union. Daß die Nationalsozialisten sich mit dem Klerus gut zu arrangieren wußten, war mir bekannt, aber daß diese Liäson ein derart erfolgreiches Comeback zur Folge hatte, wußte ich nicht. Vermutlich wird es im Geschichtsunterricht nicht erwähnt.

  4. Avatar von Pecas

    Zu dem „freireligiösen“ Link (Paulskirche etc.) könnte ich noch erwähnen, dass mich die ganz erstaunlichen – offenbar hierzulande auch aufs Gründlichste aus dem vermittelten Geschichtswissen getilgten – Informationen dort (etwa, dass die Freireligiösen die wichtigste oppositionelle Massenbewegung im Vormärz gewesen sind) zum Versuch einer Kontaktaufnahme mit dem Autor, Dr. Eckhardt Pilick, veranlassten.
    Erst im vergangenen Dezember war das, und ich bekam vorerst eine hinhaltende Antwort durch seine Gattin zugestellt.
    Wenn es zutrifft, was der ganz enorm versierte Herr Pilick in jenem bei näherer Betrachtung sehr dichten Dokument meint (und ich habe keinen Anlass, daran zu zweifeln), so scheint mir darin DER (in der Tat immer weiter bis auf den heutigen Tag proliferierte) Knackpunkt in der deutschen Geschichte (und damit in den deutschen Geschichten) angesprochen und umrissen zu werden; es hat etwas mit dem „religiösen Sozialismus der Deutschkatholiken und Lichtfreunde“ zu tun, den er erwähnt, und der 1859 noch zur (gemeinsamen) Gründung des BFGD/ Bund freireligiöser Gemeinden Deutschlands führte.
    Wenn nämlich selbst die Deutschkatholiken noch Anno 1848 dem ‚echten‘ (d. h. laut Pilick: freireligiösen) „Geist der Paulskirche“ zurechenbar erscheinen, so ist der im und vom kompletten weiteren Verlauf der (deutschen) Geschichte zementierte, reaktionäre und restaurative „Geist“, dessen prominentester Vertreter Josef gerade heute offenbar schon wieder so etwas wie einen ‚Endsieg‘ einfahren möchte, gar nichts anderes als ein mittlerweile gut eineinhalb Jahrhunderte alter Etikettenschwindel, auf dem halt „der Geist der Paulskirche“ draufsteht (ich würde mir wünschen, ich fände einmal die Zeit zu einer Analyse des gemeinsamen Porträts von Hitler und Ludendorff, wie sie absolut ratlos – aber selbstverständlich mit einer ebenso dünkelhaft prätendierten Platzhalterpose – vor der Niederlassung von Ludendorffs ‚Verein zur Gotteserkenntnis‘ in die Kamera linsen).
    „Warum Staat und Kirche sich nicht trennen wollen“? Diese gute Frage wird mich jetzt dazu veranlassen, Pilicks Artikel noch einmal genauer, auch ‚zwischen den Zeilen‘, zu lesen – sein Schweigen, das hatte ich bisher (vielleicht mitsamt dem einen oder anderen Detail dort) wohl noch nicht so recht verstanden, mir gegenüber scheint mir mit einem Mal direkt (und in durchaus positivem Sinn) beredt.

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