Monat: Oktober 2009

  • Klag Dich reich

    Zeitungen zahlen oft sogenannte Zeilenhonorare. Was eine Zeile ist und wieviel der Autor dafür bekommt ist unterschiedlich. Bei der DPA umfasst eine Zeile im Schnitt 62 Anschläge und wird mit 1,03 Euro vergütet [1]„Online-Journalismus weiter brotlose Kunst“, pressetext.de, 24.11.2004.

    Das scheint eher ein Dumpinglohn zu sein. Der Heise-Verlag zahlt für einen Online-Artikel mit 5000 Zeichen zwischen 220 und 350 Euro [2]a.a.O. Das entspricht 2,75 bis 4,40 Euro pro Zeile.

    Besser hat es anscheinend, wer für die „Zeit“ schreibt. Für ein großzügiges Zitat [3]Phillip, „Obama of Nine“, nomnomnom.de, 20.5.2008 (1707 Zeichen) aus einem Text [4]Eva Schweitzer, „Was Star Trek mit Obama zu tun hat“, zeit.de, 16.5.2008 der Kolumne „New York Kolumne“ von Eva Schweitzer (5331 Zeichen), verlangt die Autorin nämlich per Abmahnung 1200 Euro Schadenersatz [5]Johnny Haeusler, „Journalistin lässt Blog abmahnen, fordert 1.200 Euro Schadensersatz für Textzitate“ spreeblick.com, 29.10.2009. Das entspricht einem Zeilenhonorar von 13,95 Euro für den Originalartikel. Nur auf den zitierten Teil gerechnet, und nur um den geht es ja, wären das sogar 44,45 Euro pro Zeile.

    Die Auslagen für den Anwalt von Frau Schweitzer sind nicht Teil des Schadens und sollen weitere 955,00 Euro betragen.

    Verblüffend ist auch, daß die „Zeit“ trotz des füstlichen Honorars nicht die alleinigen Verwertungsrechte zu besitzen scheint. Anderenfalls hätte ja nur der Verlag abmahnen lassen können, beziehungsweise Frau Schweitzer nicht dürfen.

    Sollten Sie in einer Buchhandlung mal in eine eher langweilige Lesung geraten, schreiben Sie es unbedingt irgendwo im Internetz auf. Irgendwem wird der Text schon gefallen und dem können Sie dann ja mal einen Monatslohn abpressen. Vielleicht finden Sie auch mehr. Da soll sich noch einer beschweren, daß sich im Netz kein Geld verdienen läßt.

    [Update:] Frau Schweitzer schreibt in ihrem Blog bei der „taz“ eine Antwort [6]Eva Schweitzer, „Empire Strikes Back“, blogs.taz.de, 30.10.2009 auf den Eintrag bei Spreeblick. Bei Spreeblick danach auch und bekommt eine Antwort [7]Johny Haeusler, „Stellungnahme von Eva Schweitzer zur Blog-Abmahnung“, spreeblick.com, 30.10.2009 darauf. Später schreibt sie noch einen Eintrag [8]Eva Schweitzer, „A New Hope“, blogs.taz.de, 30.10.2009 in ihr Blog.

    References
    1 „Online-Journalismus weiter brotlose Kunst“, pressetext.de, 24.11.2004
    2 a.a.O
    3 Phillip, „Obama of Nine“, nomnomnom.de, 20.5.2008
    4 Eva Schweitzer, „Was Star Trek mit Obama zu tun hat“, zeit.de, 16.5.2008
    5 Johnny Haeusler, „Journalistin lässt Blog abmahnen, fordert 1.200 Euro Schadensersatz für Textzitate“ spreeblick.com, 29.10.2009
    6 Eva Schweitzer, „Empire Strikes Back“, blogs.taz.de, 30.10.2009
    7 Johny Haeusler, „Stellungnahme von Eva Schweitzer zur Blog-Abmahnung“, spreeblick.com, 30.10.2009
    8 Eva Schweitzer, „A New Hope“, blogs.taz.de, 30.10.2009
  • Nasty Old People

    Wenn Sie bereit sind, mehr Aufwand zu treiben, als sich in der nächsten Videothek einen Film auszuleihen, oder ins Kino zu gehen, können Sie sich auch einen schwedischen Spielfilm auf Ihren Rechner übertragen. Legal und mit dezentem Spendenwunsch von Hanna Sköld. Das ganze Drumherum was nötig ist den Film zu sehen, beschreibt Spreeblick in zwei Artikeln [1]Johnny Haeusler, „Nasty Old People – Spielfilm unter Creative-Commons-Lizenz“, spreeblick.com, 21.10.2009 [2]Johnny Haeusler, „Wie man BitTorrent benutzt – Anleitung für Einsteiger“, spreeblick.com, 21.10.2009.

    Der Film selbst ist eher fad. Die Geschichte ist: Eine 19 Jahre alte Frau arbeitet als Pflegerin für alte und kranke Menschen. Sie kann sich nicht recht zwischen allerlei sexuellen Avancen verschiedenen Geschlechts entscheiden und ist gleichzeitig irgendwie Mitglied in einer völlig planlosen Nazigang.

    Die Zeit vergeht langsam mit Altenpflege und Smalltalk plus Kuss mit einem bärtigen Friedhofgärtner. Leider gelingt es der Kamera auch in Nahaufnahmen nicht oft, den Fokus auf die Gesichter der Schauspieler zu setzen. Manchmal ist auch einfach irgendwelches Zeug im Weg.

    Nach etwa einer Dreiviertelstunde scheint sich eine Wandlung zu vollziehen: Die Pfleglinge genießen aus unerkennbarer Ursache ihr Leben und lehnen ihre Pflegerin nicht länger ab.

    Die Hauptdarstellerin vergleicht vor dem Spiegel ihre Brüste mit denen ihrer zeitweiligen Mitbewohnerin, findet das aber dann doch nicht so spannend und geht allein ins Bett.

    Danach waren unsere Filmexperten alle eingeschlafen, Ziggaretten holen oder ausgewandert.

    Fazit: Wer Open Water für ein Meisterwerk der Filmgeschichte hält, wird — mit etwas gutem Willen — auch Nasty Old People bis zum Ende ansehen können. Man kann sich wünschen, daß bald auch gute Filme auf diesem Weg vertrieben werden.

    References
    1 Johnny Haeusler, „Nasty Old People – Spielfilm unter Creative-Commons-Lizenz“, spreeblick.com, 21.10.2009
    2 Johnny Haeusler, „Wie man BitTorrent benutzt – Anleitung für Einsteiger“, spreeblick.com, 21.10.2009
  • Auf die Tatzen

    Der Kunststoffjackenhändler Jack Wolfskin ruiniert das Ansehen seiner Marke, weil er sich durch selbstgebastelte Kirschkernkissen mit Katzenpfotenstickerei bedroht fühlt [1]Ralf Schwartz, „Jack Wolfskin eröffnet den Abmahn-Herbst“, werbeblogger.de, 17.10.09 [2]Mike Schnoor, „Jack Wolfskin, Dawanda und das Recht“, sichelputzer.de, 17.10.09 [3]Konrad Lischka, „Jack Wolfskin mahnt Bastler wegen Tatzen-Mustern ab“, spiegel.de, 19.10.09. Wie in Abmahnistan üblich, können die Betroffenen kaum wagen, es auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen zu lassen, weil die Kosten im Fall einer Niederlage existenzberaubend wären.

    Für besonderen Ekel sorgt in diesem Fall der Handarbeitsverkäufer Dawanda, der für den Verkauf der Bastelarbeiten Provisionen einstreicht, das geschäftliche Risiko aber lieber auf seine Mitglieder abwälzt [4]Verwunderte Reaktionen von Mitgliedern im Forum von Dawanda, statt für sie einzustehen.

    Eine Katze ist kein Hund. Nur kann man sich dessen heute längst nicht mehr sicher sein. Es sei denn, man verfügt über die Mittel es zu beweisen.

    References
    1 Ralf Schwartz, „Jack Wolfskin eröffnet den Abmahn-Herbst“, werbeblogger.de, 17.10.09
    2 Mike Schnoor, „Jack Wolfskin, Dawanda und das Recht“, sichelputzer.de, 17.10.09
    3 Konrad Lischka, „Jack Wolfskin mahnt Bastler wegen Tatzen-Mustern ab“, spiegel.de, 19.10.09
    4 Verwunderte Reaktionen von Mitgliedern im Forum von Dawanda
  • Kein Plural

    „Kein Plural“, heißt es lapidar im Wörterbuch. Den bräuchte man aber, wollte man jemandem erklären, welche von ihnen an einer Wand hängt. Eigentlich ging es nur darum eine abfällige Bemerkung über völlig nutzlose Orakel abzusondern. Zum Beispiel eines, daß dem glücklosen Abenteurer immer wieder den folgenden wenig hilfreichen Hinweis oder vielmehr Nichthinweis entgegenplappert:

    Poor wanderer, don’t give up. Your goals are close, rewards are great. (Venus von Urbino in Zork Nemesis)

    In diesem Fall ist das Orakel eine Venus und zwar die von Urbino, die Herr Tizian einst malte. Bekannter ist ein Venusbildnis von Botticelli. Es gibt von ihr aber so viele weitere wie Kieselsteine in der Isar. Eine kreist sogar am Firmament. Umso weniger begreiflich, daß kein Plural für die Schaumgeborenen vorgesehen ist. Venuse hört sich nun wirklich albern an und selbst wenn es zwischen Venus und Venen einen Zusammenhang gäbe, wäre dies als Plural reichlich irreführend.

    Bei Aphrodite, ihrem griechischen Namen, sieht es nicht gerade besser aus. Auch wenn Aphroditae trefflich klänge, kann der lateinische Plural kaum dem griechischen Begriff angemessen sein. Vielleicht ist der Singular ihrer Göttlichkeit geschuldet, wogegen allerdings ihr polytheistischer Hintergrund spricht.

    Wieder irrt also das Orakel. Das Ziel ist nicht in Sicht und belohnen würde es einem ja sowieso niemand. Vermutlich nicht einmal danken. Mögen die Orakel also künftig so konsultiert werden, als wären sie alle eine Venus. Für freundliche Worte ohne praktischen Nutzen und ihren dekorativen Anblick.