Product Placement

Johannes Kreidler hat ein 33 Sekunden kurzes Musikstück komponiert, das er bei der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) anmelden möchte. Weil er seine Kreation aus Titeln anderer Künstler zusammengemischt hat, muß er, so schreibt die GEMA es vor, für jedes zitierte Werk ein Formular ausfüllen. Der Haken: Es sind insgesamt 70.200 Stück.

Der Künstler möchte mit seiner Aktion Product Placement [1] so auf die Absurdität hinweisen, die unserem gegenwärtigen System zur Verwertung von Musikrechten innewohnt. Ein System das in erster Linie eine mächtige Industrie begünstigt, deren Leistung darin besteht, Kulturgut zu verwalten, zu vervielfältigen und zu vertreiben. Die Kulturschaffenden selbst aber geraten dabei schnell ins Hintertreffen. Besonders dann, wenn sie nicht massentaugliche Primitivberieselung nach klangindustriellem Standard fabrizieren, sondern sich die kreative Mühe geben, gänzlich Neues herzustellen.

Es ist zum Beispiel so, daß ein Musiker sich zwar aussuchen darf, ob er Mitglied bei der GEMA wird, als solches aber nicht mehr die Wahl hat, einzelne Werke von der GEMA-Verwertung auszunehmen [2]. Will er eines seiner eigenen Stücke auf seiner Internet-Seite frei zugänglich machen, muß er dafür selbst Gebühren an die GEMA abführen.

Die Annahme, daß erst ab einer bestimmten Länge, wie etwa zwei Sekunden oder vier Takten Gebühren anfallen ist übrigens ebenso weit verbreitet wie falsch. Selbst kleinste Klangschnipsel können bereits zu rechtlichen Komplikationen führen, wenn man dafür keine Lizenz nachweisen kann [3].

Der Umstand, daß die GEMA kaum in der Lage sein wird, die vielen Anträge von Johannes Kreidler tatsächlich zu bearbeiten [4] zeigt mehr als deutlich, wie wenig das bestehende Rechtsmodell in unsere heutige Kulturrealität passt.

Kreidler plant, am 12. September um 11 Uhr die Formulare bei der GEMA in Berlin abzugeben. Bis dahin steht im selbst noch eine Menge Arbeit ins Haus. Schließlich muß er die Formblätter ja noch ausfüllen.

[1] Johannes Kreidler über Product Placement
[2] Die GEMA zur Frage: „Ist man als GEMA-Mitglied verpflichtet, alle Werke anzumelden?“
[3] Medienrechtsjuristin Dr. Kristin Meissner im Video zu Product Placement
[4] 70.200 Seiten handelsübliches Kopierpapier (80 g/m²) wiegen rund 350 kg und füllen eine Europalette mit 28 Kartons, die jeweils fünf Packungen zu 500 Blatt enthalten (eigene Berechnung).

Kommentare

2 Antworten zu „Product Placement“

  1. Avatar von Neobazi

    Gut, das ich nicht auch noch komponiere.

  2. Avatar von kvk

    mein bester jolly damngood,

    ich erfeute mich der meldung, welche mit hochlobenden tönen zur tat herrn kreidler heute im br4 erklang. mit anspornenden worten komponierte der moderator sein beitrag. wir feuen uns, glaube ich, alle. die gleichen bedenken wie sie, herr damngood, hegte auch der moderator: er mutmasste, ob nicht faulenzende musikstudenten rekrutiert werden und die beweltigung der aufgabe eigne sich doch hervorragend für die eineurojobber. (grobe entsinnung des beitrags im br4). dass der sendung nicht augenblicklich unterbrochen wurde? mit solch radikal subversiven, ja gar schelmischen tönen war es ja kakophonie in den konform-konservativen ohren. ganz im zeichen der zwölftonalität.

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