Schlagwort: Freiheit

  • BIRGiT

    Eine behördliche Arbeitsgruppe, die im Oktober 2004 unter der Ägide des über die Landesgrenzen hinaus bekannten Xenophobikers Günther Beckstein ihre Tätigkeit im bayerischen Innenministeriums begann, hat bis heute den Auftrag sogenannte „Top-Gefährder“ (Beckstein) möglichst effektiv ins Ausland zu deportieren, „unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten“ soll ihr Aufenthalt „beendet“ werden.

    Weil Sonderkommando zur schnellen Deportierung von Ausländern (SoDA) irgendwie doof klingt, wurde das Sonderkommando zur freundlichen Arbeitsgruppe mit dem Auftrag, „Beschleunigte Identifizierung und Rückführung von Gefährdern aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus/Extremismus“, abgekürzt mit dem infantiler Inspiration entsprungenen Akronym BIRGiT.

    Da liegt die Frage nahe, „was für ein beschissenes Leben“ [1]Holgi, „BIRGIT„, Nightline, 28.06.09 Menschen haben müssen, die sich sowas ausdenken. Die bestürzende Antwort ist, sehr warscheinlich ein ganz normales, wie Du und ich. Schon in der ersten Zeit der Aufarbeitung der Nazizeit stellte Hannah Arendt die Banalität des Bösen fest. Auch einem Adolf Eichmann war seine Monstrosität nämlich nicht anzusehen.

    Der Sozialpsychologe Phillip Zimbardo hat in seinen Untersuchungen immer wieder festgestellt, daß man Menschen nicht ansehen kann, ob und zu welchen Grausamkeiten sie imstande sind, sobald sie in eine Situation gelangen, in der sie Macht ausüben können.

    Noch immer unklar ist, was Gefährder, womöglich aus Kreisen islamistischer Extremisten, eigentlich sein sollen, geschweige denn, wie solche von christianistischen Extremisten zu unterscheiden wären, wie sie sich bis heute zum Teil unerkannt frei in der CSU bewegen.

    Das erste von sechs Teilzielen der AG BIRGiT [2]„AG BIRGiT – Struktur – Ziele –Ergebnisse“, PDF, stmi.bayern.de ist damit schon mal nicht zu erreichen. Grund genug, sich auf Teilziel 2 zu konzentrieren, nämlich alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um den missliebigen Besucher schnellstens loszuwerden.

    Hier hat dann selbst BIRGiT schon bemerkt, daß es voraussichtlich nicht klappt. Wer einen deutschen Pass hat, oder in seinem Heimatland gefoltert würde, darf nicht einmal in Bayern abgeschoben werden. Hier nichts verbotenes getan zu haben, spricht freilich nicht gegen eine Ausweisung. Es genügt, daß der Delinquent etwas verbotenes vorgehabt haben könnte.

    Wenn also nichts zu machen ist, kommt BIRGiT in die 3. Teilzielgerade. Der missliebige Besucher wird eben gleich hier gefoltert. Nicht mit glühenden Zangen, sondern mit den subtileren aber ebenso wirksamen Methoden die schon die Stasi sehr zu schätzen wussste: Isolation, Zermürbung, Desorientierung, vorenthalten medizinischer Versorgung. Wenn daraus entstehende Depressionen in einen „untauglichen“ Suizidversuch münden, ist das für BIRGiT natürlich ärgerlich. Wäre doch nur ein tauglicher Versuch zielführend gewesen, den Handlungsspielraum des „Gefährders“ so weit wie möglich und äußerst nachhaltig einzuschränken.

    Teilziel 4 steht deswegen an vierter Stelle, um die durchwegs sensiblen Beamten nicht zu überfordern. Es wäre unmöglich zu verlangen, Rechtsgrundlagen schon vor deren Umsetzung zu erörtern. Es würde nur zu lästigen Regelungslücken führen. Das ist nur konsequent, wenn doch schon unklar ist, gegen wen sie sich überhaupt richten sollen.

    Die Wirksamkeit der Maßnahmen wird gemäß Teilziel 5 in regelmäßigen Zeitabständen überprüft und ggf. wird nachgesteuert. Wie das funktioniert erfährt der Tunesier Muldi C. derzeit im bayerischen Hinterland am eigenen Leib. Nachzulesen bei Annalist [3]Anne Roth, „Mouldi C. und die AG BIRGiT – Gefährder in Deutschland„, annalist.noblogs.org, 28.06.09 oder in voller Länge beim „SZ-Magazin“ [4]Nicolas Richter, „Leben ohne Aussicht„, SZ-Magazin, 17/2009

    References
    1 Holgi, „BIRGIT„, Nightline, 28.06.09
    2 „AG BIRGiT – Struktur – Ziele –Ergebnisse“, PDF, stmi.bayern.de
    3 Anne Roth, „Mouldi C. und die AG BIRGiT – Gefährder in Deutschland„, annalist.noblogs.org, 28.06.09
    4 Nicolas Richter, „Leben ohne Aussicht„, SZ-Magazin, 17/2009
  • US-Presse über grassierenden Zensurwahn

    Es lohnt sich immer, ab und zu einen Blick in die ausländische Presse zu werfen, um sich ein Bild der innenpolitischen Lage des eigenen Landes zu verschaffen. So berichtet das „Wall Street Journal“ [1]Rebecca Mackinnon, „The Green Dam Phenomenon“, Wall Street Journal, 18.06.2009 :

    More and more governments — including democracies like Britain, Australia and Germany — are trying to control public behavior online, especially by exerting pressure on Internet service providers.

    Auf Deutsch:

    Immer mehr Regierungen — einschließlich Demokratien wie England, Australien und Deutschland — versuchen das Onlineverhalten ihrer Bürger zu kontrollieren, vor allem durch Druck auf Anbieter von Internetzugängen.

    Weiter schreibt die Autorin über die meistgezeichnete Petition in der Geschichte der Bunderepublik Deutschland und die allerorten aufkeimenden Begehrlichkeiten für weitergehende Netzzensur:

    In Germany, Internet users and civil liberties groups are fighting proposed legislation mandating a national censorship system. The Bundestag votes today on a bill authorizing German police to establish and maintain a list of Web sites that Internet service providers would be required to block. In a petition against the bill, German civil liberties groups call it „untransparent and uncontrollable, since the ‚block lists‘ cannot be inspected, nor are the criteria for putting a Web site on the list properly defined.“ These concerns aren’t unfounded: Some German politicians have already suggested extending the block list to Islamist Web sites, video games and gambling Web sites, while book publishers have suggested it would also be nice to block file-sharing sites too.

    Übersetzung:

    Internetanwender und Bürgerrechtsvereine kämpfen in Deutschland gegen den Gesetzentwurf über ein Landesweites Zenszursystem. Der Bundestag stimmt heute über einen Beschluß ab, der die deutsche Polizei ermächtigt, eine Liste von Internetseiten einzurichten und zu betreiben, die Anbieter von Internetzugängen zu blockieren hätten. In einer Petition gegen den Beschluß bezeichnen Bürgerrechtsgruppen ihn als „intransparent und unkontrollierbar, weil weder die Sperrlisten geprüft werden können, noch die Kriterien für eine Aufnahme in die Liste klar festgelegt sind.“ Diese Bedenken sind nicht unbegründet: Einige deutsche Politiker haben bereits vorgeschlagen, die Sperrliste auf Webseiten auszuweiten, die Islamistische Inhalte, Videospiele und Glücksspiele enthalten, während Buchverlage angeregt haben, daß auch eine Sperrung von Tauschbörsen wünschenswert sei.

    Gewöhnen Sie, liebe Leser, sich ruhig schon einmal daran, Ihre „Neuartigen Rundfunkempfangsgeräte“ (GEZ) auf solche Feindsender einzustellen. Bertelsmannburdaholzbrinkspiegelspringer kann sich solcher Themen nämlich gerade nicht annehmen, weil zunächst das eigene Reittier auf Trab gebracht werden muß.

    References
    1 Rebecca Mackinnon, „The Green Dam Phenomenon“, Wall Street Journal, 18.06.2009
  • 60 Jahre einfach Schwein gehabt

    Das Deutsche Volk mag ja am 23.05.1949 von allem möglichen beseelt gewesen sein. Etwa von Gedanken darüber, wo man Zigarretten herbekommen könnte, um sie gegen Lebensmittelmarken einzutauschen. Sich selbst ein Grundgesetz zu geben, gehörte ganz sicher nicht dazu, auch wenn es das Vorwort — das bei einem Gesetz prätentiös Präambel genannt wird — so behauptet:

    Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben. [1]Erster Satz der Präambel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland

    Tatsächlich haben die Regenten dem Volk bis heute vorenthalten, sich selbst eine Verfassung zu geben, obwohl dies Ausdrücklich im Artikel 146 GG verlangt wird, falls die Wiedervereinigung zustande kommt. Die Mauer fiel, die Vereinigung kam, die Treuhand hat die neuen Bundesländer abgewickelt und das Geld eingesteckt. Eine freie Entscheidung des deutschen Volks über eine Verfassung kam in 19 Jahren nicht.

    Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist. [2]Artikel 146 GG

    Das Volk hatte da noch nie mitzureden. Was in den Jahren 48 bis 49 geschah, war nicht mehr, als daß einige ausgesuchte Beamte von den Allierten genötigt wurden, übergangsweise ein Grundgesetz zu formulieren, was diese dann taten, indem sie die Verfassung der Weimarer Republik abschrieben und um die gröbsten Schnitzer bereinigten. Diesem Ursprung mag geschuldet sein, daß sich das Grundgesetz zumindest ganz vernünftig ließt.

    In der DDR geschah vergleichbares und führte zu einem vergleichbaren Ergebnis. Das Grundgesetz der DDR [3]Das Grundgesezt und die Verfassung der DDR sicherte seinen Bürgern zu, daß alle Staatsgewalt von ihnen ausginge. Auch ein Recht auf Arbeit war darin Bestandteil. Der praktische Nutzen dieses Gesetzes offenbarte sich am 17. Juni 1953, als Arbeiter dieses Recht in Anspruch nehmen wollten. 20.000 sovjetische Soldaten rückten mit Panzern an und beschossen die Demonstranten.

    Bürgerrechte in Grundgesetzen sind nur solange etwas wert, wie allgemeiner Wohlstand herrscht. Werden die Zeiten rauher, verlieren sie schnell an Bedeutung. Dennoch entblödet sich Frank Müntefering nicht, zu fordern, das Volk solle sich mehr an der Demokratie beteiligen. Nur wie er sich das vorstellt, lässt er freilich offen. Die Petition gegen Internetsperren [4]Die Petition kann noch bis 16.06.09 Mitgezeichnet werden haben zwar mehr Bürger unterschrieben, als je eine andere in der deutschen Nachkriegsgeschichte, aber ein Aufhorchen der Politiker ist nicht zu bemerken.

    In von Pathos nur so triefenden Elogen wird das Grundgesetz als die Ursache gefeiert, daß in Deutschland seit seinem Bestehen Frieden herrsch. Als wäre das nicht dem Umstand zu verdanken, daß der Kalte Krieg, und die Atomwaffen nie in der Lage gewesen wären, einen Krieg zu gewinnen. Das war selbst den Psychopathen aus Washington und Moskau klar. Das militärische Muskelspiel folgte der einfachen Regel, Aufrüsten bis einer der Mitspieler bankrott ist.

    Ganz so friedlich ist Deutschland ja auch gar nicht. Immerhin führt es engegen dem Willen seiner Bürger Kriege. Sei es der Kosovo-Konfikt oder die vermeintliche Terroristenhatz in Afghanistan; in keinem Fall ging es um die Verteidigung des eigenen Landes oder wenigstens dessen eines NATO-Bündnispartners.

    Es ist leicht zu verstehen, warum das Grundgesetz bei den Systemparteien so beliebt ist, sichert es ihnen doch die bequeme Stellung, daß die Wähler ihnen nicht ans Zeug flicken können. Wo es dennoch im Weg steht, können Sie es gefahrlos ignorieren, denn strafbewehrt sind solche Verstöße ja nicht.

    Allein das Bundesamt für Verfassungsschutz könnte hier einschreiten, wenn etwa ein Innenminister Passagierflugzeuge abschießen lassen, die Streitkräfte auf die Bevölkerung loslassen und das BKA mit Befugnissen ausstatten will, wie sie die Staatssicherheit der DDR hatte. Da besteht diese Aufgabe des Verfassungsschutzes eben nur aus dem Papier auf dem die „Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden“ geschrieben stehen [5]§3 BVerfSchG. In der Praxis bleibt dafür zu wenig Arbeitszeit. Schließlich hat der Verfassungsschutz genug zu tun, der NPD über seine V-Leute üppige Finanzhilfen zukommen zu lassen und Leute zu jagen, die Autos in Brand stecken, als hätten die Länder keine Dezernate für Brandstiftung.

    Schwieriger zu verstehen ist, warum die Bürger vom Grundgesetz so überzeugt sind. Hat es die Unverletzlichkeit der Wohnung geschützt, als die Staatsanwaltschaften und die Polizei die Erlaubnis wollten, uns nächtens in unseren Wohnungen zu überfallen? Hat es uns davor geschützt, am Telefon abgehört zu werden? Hat es die Mobilfunkbranche davor bewahrt, in das zunächst abhörsichere System nachträglich teure Abhöhrschnittstellen einbauen zu müssen? Was bot das Grundgesetz neues an Sozialverpflichtungen, das nicht schon in der Weimarer Verfassung verankert war?

    Die Anwort ist so simpel wie erschreckend: Das Grundgesetz hat unsere Rechte nicht geschützt. Das Grundgesetz ist nur ein Stück Papier. Bürger die Rechte wollen, müssen selbst dafür kämpfen. Immer wieder und in Krisenzeiten um so härter. Denn die Regierung wird sich damit nicht die Hände schmutzig machen — auch dann nicht, wenn sie zuvor in der Opposition gewohnheitsmäßig das Gegenteil behauptet hat.

    „Happy Birthday, Schweinesystem!“ [6]Titanic-Titel, Nr. 5, Mai 2009

    References
    1 Erster Satz der Präambel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland
    2 Artikel 146 GG
    3 Das Grundgesezt und die Verfassung der DDR
    4 Die Petition kann noch bis 16.06.09 Mitgezeichnet werden
    5 §3 BVerfSchG
    6 Titanic-Titel, Nr. 5, Mai 2009
  • Tun Sie was für Ihre Freiheit!

    Nicht nur für Juristen, sondern für jeden, der in Deutschland lebt ist das in letzter Zeit arg geschundene Grundgesetz eine Pflichtlektüre. Jeder Bürger darf es sich kostenlos bei der Bundeszentrale für Politische Bildung bestellen. Das geht auch online und zwar hier: Bundeszentrale für Politische Bildung. Zum aktuellen Thema empfiehlt es sich, insbesondere den Artikel 5 [1]Art. 5 GG, gesetzeiminternet.de zu lesen. Der steht nämlich, durch den konzertierten Vorstoß Ursula von der Leyens, Simone Brigitte Zypries‘ und Karl-Theodor von und zu Guttenbergs, auf dem Spiel.

    Daß dieses wohlfeile, zum Abwinken populistische Gesetzesvorhaben keinen einzigen Fall von Kindesmißbrauch verhindern kann, liegt auf der Hand. Gesperrt werden sollen Webangebote, die Bilder solcher Verbrechen zeigen. Die Sperrung durch das Bundeskriminalamt kann zwangsläufig erst erfolgen, wenn der Mißbrauch bereits geschehen ist.

    Aber es kommt noch schlimmer: Die Anbieter solchen Materials werden nicht verfolgt, sondern sogar geschützt. Hier entsteht nicht Kinderschutz sondern Täterschutz. Werden solche Angebote versteckt, existieren Sie im Verborgenen weiter, unbehelligt von Opferschutzvereinen und Strafverfolgungsbehörden. Das Problem wird nicht gelöst, sondern bewahrt.

    Wenn denn das Problem tatsächlich überhaupt die Dimensionen aufweist, wie von den Sperrbefürwortern immer wieder angegeben wird. Ein Gastkommentar auf Alvar Freudes „Odem Blog“, kommt bei der Suche nach den Quellen für diese unglaublichen Zahlen zu dem Schluß, daß sie nicht einmal ansatzweise stimmen können [2]Anonym, „incompetence not in danger„, blog.odem.org, 01.05.2009.

    Der Heise-Verlag weist darauf hin, daß die ganze Aktion kaum wirklich im Interesse des Schutzes von Kindern vor Mißbrauch sein kann [3]Holger Bleich, Axel Kosse, „Verschleierungstaktik„, c’t 9/09.

    Ob beabsichtigt oder nicht, würde das Gesetz den Aufbau einer übermächtigen Infrastuktur zur Zensur des Internet zur Folge haben, die für alle möglichen unerwünschten Internet-Inhalte Anwendung finden würde. Dies alles völlig unbemerkt und unkonrollierbar, weil die Sperrliste Geheimsache ist, und die Exekutive allein darüber befindet, was auf dieser Liste stehen soll.

    Alle von Frau von der Leyen genannten Länder die sie als Vorbilder betrachtet haben entweder durch öffentlich gewordene Sperrlisten, oder Aussagen der zuständigen Beamten, bereits deutlich gemacht, daß diese Filter nicht ansatzweise hilfreich sind. Im Falle der durchgesickerten Listen, zeigte sich vor allem, daß die überwiegende Mehrzahl der Eintäge keine Angebote mit pädokriminellem Material betrafen.

    Schon längst fordern Lobbygruppen, diesen Sperrmechanismus für Ihre eigenen Interessen nutzen zu dürfen. Alle strengen Kontollmechanismen haben in der Vergangenheit mehr als deutlich gemacht, daß es nie bei einem eng umgrenzten Anwendungsfall bleibt. Statt einigen Dutzend Telefonüberwachungen wurden allein im letzten Jahr in Berlin 1,1 Million abgehörte Gespräche. Längst wird das außschließlich zur Abrechnung der LWK-Maut gedachte Toll-Collect-System zur Strafverfolgung eingesetzt, obwohl dies bis zur Einführung kathegorisch ausgeschlossen wurde. Ein System das zum Mißbrauch einlädt, wird immer mißbraucht.

    Insgesamt verstößt das Sperr-Vorhaben gegen das Recht auf Informationsfreiheit und gegen das Gebot der Gewaltenteilung. Damit ist es eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie in Deutschland. Damit es soweit erst gar nicht kommt, Zeichnen Sie die Petition „Internet – Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten„. Nehmen Sie sich jetzt gleich die 5 Minuten Zeit, sich auf der Petitonsseite des Deutschen Bundestags zu registrieren, anzumelden und die Petition mitzuzeichnen. Selbst wenn Sie normalerweise nie zum Wählen gehen. Es ist wirklich wichtig.

    References
    1 Art. 5 GG, gesetzeiminternet.de
    2 Anonym, „incompetence not in danger„, blog.odem.org, 01.05.2009
    3 Holger Bleich, Axel Kosse, „Verschleierungstaktik„, c’t 9/09
  • Die zensierte Strumpfhose

    Nicht daß ich den Kollegen von „Nerdy Room“ [1]Willi, „Strumpfhose“, Nerdy Room, nrtm.de, 03.05.2009 nicht glauben würde. Dennoch mußte ich es mit eigenen Augen sehen, wie Microsofts Suchmaschine „Live Search“ mit dem Suchbegriff „Strumpfhose“ umgeht [2]„Strumpfhose“ bei Microsoft Live Search“, 03.05.2009. Tatsächlich wird die Suche mit der lapidaren Bemerkung abgelehnt,

    „Der Suchbegriff strumpfhose führt möglicherweise zu sexuell eindeutigen Inhalten.“

    Die Suche nach Damenunterbekleidung hält der Betreiber allerdings für statthaft. Wer nach „Damenunterwäsche“ gugelt Live-Searcht [3]„Damenunterwäsche“ bei Live Search, 03.05.2009 ist nach Ansicht des Betreibers moralisch besser gefestigt, als der Strumpfhoseninteressent. Sogar so stark, daß im sogleich eine Werbeanzeige mit der Überschrift „Sexy Unterwäsche“ von Schwab präsentiet wird, die man aber direkt nicht finden könnte, weil „Sexy“ ja wieder „zu möglicherweise eindeutig sexuellen Ergebnissen“ führen könnte.

    Da hat das Complience Department aus Redmont ja ein höchst interessantes Geschäftsmodell für seine Werbekunden entdeckt. Die werden vor Begeisterung gar nicht mehr an sich halten können.

    Aber auch Herr Gugel zensiert ja schon seit vielen Jahren, ahand von geheimen Filterlisten. Eine Suche nach „BME“ [4]„BME“, google.de, 4.5.2009 zeigt unter den Surchergebnissen, daß mehrere Ergebnise „aus Rechtsgründen“ nicht angezeigt würden. Der dazu angebotene Link spricht davon, daß eine in Deutschland „zust?ndige Stelle[sic]“, die zurückgehaltenen Treffer als illegal gemeldet habe. Bemüht man die US-Version der Suchmaschine mit einer analogen Suche [5]google.com, „BME“, 03.05.2009 zeigt sich, daß das Body Modifikation-EZine ins Fadenkreuz der deutschen Zensurbehörde geraten ist. Auch wenn diese namentlich nicht genannt wird, darf man wohl stark annehmen, daß die gute alte Bundesprüfstelle für jugendgefährdene Medien dahinter steht, die ja schon seit vielen Jahren mit geheimen Filterlisten arbeitet. Nur nicht ganz so plump.

    Die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung hat ihren Höhepunkt längst überschritten. Wie die Wirtschaft auf Wachstum angewiesen ist, ist auch die Justiz darauf angewiesen, daß es immer mehr Gesetze, mehr Gerichte und größere Gefängnisse gibt. Ideologien in Gesetze einzubauem und die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung zu beseitigen, ist also die einzig logische Konsequenz. Die zensierte Strumpfhose ist nur ein Vorgeschmack auf die schöne neue Welt der Frau von der Leyen.

    Wenn das Bundesverfassungsgericht, dem Vertrag von Lissabon seinen Segen gibt, wird es ab dann nicht mehr zuständig sein, darüber zu entscheiden, ob ein Gesetz verfassungskonform ist [6]Heribert Prantl, „Auf zum letzten Gefecht — diesmal in Karlsruhe“, sueddeutsche.de, 23.05.2008, obwohl es gerade in den letzen Jahren wichtiger war, als selten zuvor.

  • Speedport W 700V

    Falls irgendwer noch Kunde bei der Deutschen Telekom AG ist und einen Router namens Speedport W 700V besitzt, aber keine Lust hat, sich vom BKA aussuchen zu lassen, was er im Internet ansehen darf, soll mal folgendes machen:

    1. Diese Adresse aufrufen:
      http://192.168.2.1/top_start_passwort.stm
      eventuell geht auch diese:
      http://speedport.ip/top_start_passwort.stm
      Login des Speedport W 700VDas Passwort lautet entweder 0000, oder es steht hinten auf dem Gerät, oder es ist so, wie Sie es selbst gesetzt haben.
    2. Links, im Hauptmenü des Speedport W 700V wählen Sie den Punkt „Netzwerk“. Hier im Bild in der Farbe Magenta dargestellt:
      Hauptmenü des Speedport W700V
    3. Unter „Netzwerkeinstellungen“ wählen Sie in der mittleren Spalte „>>Internetzugang“. Hier im Bild in der Farbe Magenta hervorgehoben:
      Netzwerkeinstellungen des Speedport W 700V
    4. Bei Provider-Auswahl stellen Sie „Anderer Provider“ ein. Ja, auch oder gerade dann, wenn Sie einen T-Online-Anschluß haben.
      Interneteinstellungen des Speedport W 700V
    5. Der Benutzername ist eine Kombination aus Ihrer 75-stelligen Anschlußkennung, der 786-stelligen T-Online-Nummer und etwas Garnitur. Genau geht es so:

      AnschlußkennungTeilnehmernummer#[email protected].

      Die Mitbenutzerkennung ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit 0001. Gartenzaun # und @t-online.de gelten wörtlich. Anpassen müssen Sie also nur den Teil vor #[email protected].  Die Anschlußkennung und Teilnehmernummer finden Sie auf dem geheimnisvoll verpackten Zettel, den Sie von T-Onlne erhalten haben.Ihr Benutzername könnte demnach so aussehen: 123456789012987654321098#[email protected].

    6. „Kennwort“ und „Kennwort wiederholen“ ist Ihr T-Online-Kennwort. Wenn Sie es nie geändert haben, ist es das was auf besagtem Zettel steht, wo Sie auch die anderen Angaben her haben.
    7. Als „Name des Dienstes“, schreiben Sie etwas, daß Ihnen zur Telekom einfällt, z. B. MfS.
    8. Eine „Feste IP-Adresse“ können Sie sich ausdenken oder das Feld leer lassen. Wirkung hat es keine.
    9. Primärer DNS-Server. Das ist interessant. Tragen Sie die IP-Adresse eines DNS-Servers ein, von dem Sie annehmen, daß er unzensiert ist, zum Beispiel 94.75.228.29.
    10. Als „Sekundärer DNS-Server“ tragen Sie die IP-Adresse eines weiteren DNS-Servers ein, von dem Sie meinen, daß er nicht manipuliert wäre, zum Beispiel 87.118.100.175.
    11. Drücken Sie auf „Speichern“, um den Artikel 5 des Grundgesetzes wieder in Betrieb zu nehmen.

    Die beiden hier als Beispiel angeführten DNS-Server werden neben anderen von der German Privacy Foundation [1]Homepage der GPF betrieben. DNS-Server betreiben aber auch der Chaos Computer Club [2]DNS-Anleitung beim CCC (213.73.91.35 und 213.73.91.35) und der FoeBud e.V. [3]Pressemitteilung des FoeBud e.V. zu deren DNS-Server (85.214.73.63).

  • Deutsche, schaut deutsches Internet!

    We Need Freedom Of Speech!
    Creative Commons License photo credit: Youssef Hanna

    Nach dem unsäglichen Hickhack, ob eine Internetkinderpornoblockade nach dem Ermessen des BKA mit oder ohne rechtliche Grundlage erfolgen soll, lässt Justizministerin Simone Zypries endlich die Katze aus dem Sack. Wer gutgläubig oder hoffnungsfroh genug war, ihre öffentlich geäußerten Bedenken gegen die Zensur im Netz, wie Ursula von der Leyen sie plant, als Plädoyer für Rezipientenfreiheit zu deuten, mag enttäuscht sein. Die diffuse Formulierung Zypries [1]„Zypries stemmt sich gegen Vertrag zu Kinderporno-Sperren“, heise.de, 15.03.2009 ließ im Grunde erkennen, daß es nur darum geht, das Unrecht von einem im Zweifel ungültigen Vertrag in ein im Zweifel verfassungswidriges Gesetz zu gießen.

    Die Maske ist gefallen, das Totschlagargument, wer Kinder schützenswert fände, dürfe der Zensur, die nur Blockade genannt werden soll, nicht widersprechen, ist vom und die Wahrheit auf dem Tisch: „Wie können wir verhindern, dass deutsche Internetbenutzer auf ausländische Seiten gehen“, sei die Frage, sagte Zyrpies diesen Morgen [2]„Justizministerin beharrt auf Gesetz zu Internet-Filterung“, heise.de, 25.03.2009.

    Die Antwort ergibt sich eigentlich von selbst: In fünf Jahren gibt es in Deutschland nur noch De-Mail [3]„Regierung plant sichere „De-Mail““, taz.de, 18.11.2008. In diesem Projekt ist längst zu viel Geld verbrannt worden als das man es vernünftigerweise sterben ließe. Wer dort als Anbieter auftreten will, wird sich abschreckend hohe Gebühren leisten müssen und sich auf genehme Inhalte beschränken, oder draussen bleiben.

    References
    1 „Zypries stemmt sich gegen Vertrag zu Kinderporno-Sperren“, heise.de, 15.03.2009
    2 „Justizministerin beharrt auf Gesetz zu Internet-Filterung“, heise.de, 25.03.2009
    3 „Regierung plant sichere „De-Mail““, taz.de, 18.11.2008
  • Kein freier Mann

    Freiheit ist relativ. Christian Klar, ein ehemaliger Terrorist der Roten Armee Fraktion ist aus seiner 26 Jahre langen Haft entlassen worden. Nicht in die Freiheit, wie „Bild“ behauptet [1]J. W. Meyer, H.-J. Vehlewald, „7:45 Uhr: Mit einer Tasche und 400 Euro in die Freiheit„, bild.de, vermutlich 22.12.2008, sondern eher in die Vogelfreiheit, wie „Bild“ sie eigens für ihn erzeugt [2]Bild und B.Z. lassen Christian Klar nicht weg“, bildblog.de, 10.1.2009.

    Chrstian Klar kann nur hoffen, daß sich die Vermutung von Rechtsanwalt Udo Vetter bewahrheitet, und der Axel-Springer-Verlag ihm „viel Geld“ [3]Udo Vetter, “Wem ich eine Vorstrafe wünsche“, lawblog.de, 10.1.2009, bezahlen muß, um seine neue durch „B.Z.“ und „Bild“ vernichtete Existenz zu entschädigen.

    Ein normales Leben wird er in Deutschland nie führen können, denn nicht nur im Kommentarwesen des „Zitty-Blog“ [4]Daniel Boese, “Kein Praktikant Klar“, blog.zitty.de, 9.1.2009 würde ihn ein aufgebrachter Mob verfolgen, so lange er sich innerhalb Deutschlands, aber außerhalb einer Gefängniszelle aufhält.

    Für ihn wäre es womöglich am Besten, Deutschland zu verlassen und in einem Land Fuß zu fassen, in dem „B.Z.“ und „Bild“ unbekannt sind. Genau das darf er aber nicht, denn die Bewährungsauflagen zwingen ihn dazu, bis zum 3. Januar 2014 [5]Restfreiheitsstrafe gegen Christian Klar zur Bewährung ausgesetzt„, Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart, 24.11.2009 hier zu bleiben. Das Geld müsste also nicht nur 5 Jahre seinen Lebensunterhalt zu sichern imstande sein, sondern auch genügen, um, als dann 62-Jähriger Mann ohne Berufserfahrung, ein neues Leben in der Fremde zu beginnen.

    References
    1 J. W. Meyer, H.-J. Vehlewald, „7:45 Uhr: Mit einer Tasche und 400 Euro in die Freiheit„, bild.de, vermutlich 22.12.2008
    2 Bild und B.Z. lassen Christian Klar nicht weg“, bildblog.de, 10.1.2009
    3 Udo Vetter, “Wem ich eine Vorstrafe wünsche“, lawblog.de, 10.1.2009
    4 Daniel Boese, “Kein Praktikant Klar“, blog.zitty.de, 9.1.2009
    5 Restfreiheitsstrafe gegen Christian Klar zur Bewährung ausgesetzt„, Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart, 24.11.2009