Monat: November 2005

  • Ionfresher

    Das ist jetzt sicher eine bittere Enttäuschung für alle Fans des legendären Ionfresher, eine Maschine um Luft zu säubern des Versandhauses Pro Idee, aber ich muß jetzt einfach mal zwei Sachen klarstellen:

    1. Diese Seiten sind ein angesehenes Kultur-Blog und kein Internet-Shop oder Verbrauchermagazin für überflüssige Elektroartikel. Deshalb finden Sie hier über den Ionfresher nur eine wesentliche Information, nämlich folgende:
    2. Das Gerät ist, wie Sie auf der Seite des Anbieters Pro-Idee leicht ersehen können, nicht mehr erhältlich.

    Wie Sie sehen, können sich also die Google-Suche nach dem erstaunlichen Apparat getrost schenken. Daß der Fellow Passenger dort an erster Stelle zur Lektüre empfohlen wird hat zwei Gründe:

    1. Pro Idee hat mir vor langer Zeit unaufgefordert einen Prospekt in meinen SPIEGEL gelegt, der dem Lufterfrischer völlig irrsinnige technische Daten unterstellte, weshalb ich mich veranlaßt sah, dies in einem offenen Brief an den Anbieter zu rügen.
    2. Google mißt verständlicherweise dem honorigen Fachmagazin für Halbwissen einen erheblich höheren kulturellen Stellenwert bei, als dem schwindligen Web-Shop.

    All das ist kein Grund für Trübsal. Glauben Sie mir, was Sie hier zu lesen bekommen ist wesentlich erfrischender als das vergriffene Elektrogerät und im Gegensatz dazu völlig kostenlos.

    Und huhu, Pro-Idee! Nachdem spätestens nach diesem Posting Deine Kunden ja jetzt praktisch alle vom Fellow Passenger statt von Google kommen, könntest Du Dich ja vielleicht mit einer kleinen Spende für Peppy den Papyrus revanchieren.

  • Vorne Einsteigen!

    Die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist dem kultivierten Menschen stets eine arge Belastung. Zu deprimierend ist die herzerweichende Dummheit, zu erschöpfend die skrupellose Rücksichtslosigkeit vieler Fahrgäste.

    Viele U-Bahn-Fahrgäste sind der Auffassung, alle anderen stünden nur auf dem Bahnsteig herum, weil die sonst kein Dach über dem Kopf hätten. So öffnen sie von der Wagentür nur die eine Seite, jenen kleinen Spalt, der ihnen gerade genügt um selbst in den Waggon zu schlüpfen. Tatsächlich trachtet aber die Mehrzahl der Wartenden danach, ebenfalls ihrerseits den Zug zu betreten. Weil es vielen Mitmenschen jedoch an Eigeninitiative und visionärer Kraft mangelt, nehmen sie die Situation als unabwendbar gegeben hin und zwängen sich schicksalsergeben, einer nach dem anderen, ebenfalls durch die kleine Öffnung, bis sich schließlich ein mit Augenmaß gesegneter Mitreisender erbarmt und auch die andere Hälfte der Tür öffnet.

    Schon vor einigen Jahren hat die Münchner Verkehrsgesellschaft bei ihren U-Bahnen eine technische Neuerung eingeführt, die ich hier lobend erwähnen möchte. So öffnen sich seitdem wie von Geisterhand beide Türflügel, selbst wenn ein egozentrisch veranlagter Reisender nur einen der beiden Hebel betätigt.

    Bei den neuestens eingeführten Zügen wurde dieses hervorragende System aber überflüssigerweise wiederum ersetzt. Der Aus- oder Einsteigewillige muß nun eine Sensorfläche berühren, sobald die sie umkränzenden Lämpchen in der richtigen Farbe leuchten. Jedoch keinesfalls vorher, sonst passiert nämlich gar nichts. So sieht man nun hilflose Menschen die, der gewohnten mechanischen Kontrolle beraubt, wie dressierte Affen hektisch auf der kleinen Scheibe herumtatschen.

    Überhaupt ist zu beobachten, daß technische Neuerungen an MVG-Fahrzeugen nur selten zu Verbesserungen führen. Moderne Trambahnen beispielsweise, sind so konstruiert, daß es im ganzen Vehikel nur zwei Stehplätze gibt an denen man niemandem im Weg steht. Aus naheliegenden Gründen sind sie zumeist von Kinderwägen besetzt.

    Eine weitere Hürde stellen die Lichtschranken in den Türen dar, welche die früheren einwandfrei funktionierenden mechanischen Schalter in den Gummilippen und Trittstufen abgelöst haben. In die Lichtschranke ragt nun bei regem Betrieb grundsätzlich ein Gepäckstück oder Rockzipfel hinein, was dem Betriebsgeschehen äußerst abträglich ist und häufig unwirsche Ermahnungen des Fahrers auslöst.

    Während vor ein bis zwei Dekaden noch dem Dümmsten einzuleuchten schien, daß die Kunst des Aus- und Einsteigens in eben genau dieser Reihenfolge liegt, ist der Umstand, daß es umgekehrt nicht funktionieren kann, inzwischen offenbar in Vergessenheit geraten. So sieht man sich bei dem Versuch ein Nahverkehrsmittel zu verlassen zunehmend Menschenmengen gegenüber, die nicht nur unnachgiebig den Ausstieg blockieren, sondern mit roher Gewalt ihren sofortigen Einstieg durchsetzen wollen.

    Wo moderne Technik und Indolenz nicht ausreicht, um den Betrieb zu stören, muß das Personal nachhelfen, indem es gezwungen wird despotische Fieberphantasien der Betriebsleitung in grausige Realität umzusetzen. Das geschieht beim Busfahren, dem mit einigem Abstand abscheulichsten Angebot öffentlicher Fortbewegung. Schon von weitem bellt der Busfahrer über die Lautsprecheranlage den in eisiger Kälte wartenden Fahrgästen den Befehl, „Vorne Einsteigen!“ entgegen. Dann fährt er das Fahrzeug freilich so weit an den Frierenden vorbei, daß alle von ihnen hinter der letzten Tür stehen. Ganz vorne öffnet sich eine etwa 80 Zentimeter breite Einstiegsluke, während die restlichen vier Ausstiege verschlossen bleiben, bis alle eingestiegen sind. Darum klettern die Aussteigewilligen drinnen erst mal unter Mühsal durch diese unwürdig kleine Öffnung ins Freie.

    Danach herrscht der Fahrer die Einsteigenden an, ihre Fahrscheine vorzuzeigen. Wer noch keinen hat, erhält barsch die Anweisung unverzüglich einen solchen am Automaten zu lösen und anschließend erneut vorstellig zu werden. Erst dann öffnet der Buskommandant die restlichen Türen, vermutlich um zu Lüften, denn wer aussteigen wollte hat das ja bereits bewerkstelligt.

    Um die lästigen Verzögerungen wieder wettzumachen befleißigt sich der Busdiktator einer ausgesprochen sportlichen Fahrweise, die ohne Sitzplatz oder Eishockey-Schutzausrüstung kaum frei von Blessuren zu überstehen ist.

    Wer über ein Kraftfahrzeug verfügt, sollte also ruhig einmal die öffentlichen Verkehrsmittel stehen lassen.

  • Kino in München

    Gemeinsam mit dem SPIEGEL und Spiegel Online untersucht Anke Gröner, warum es um den finanziellen Erfolg der Kinos so schlecht bestellt ist.

    Dabei geht es nebenbei auch um Multiplex-Kinos. Die haben durchaus Vorteile, wie eine Bestuhlung, die angemessene Beinfreiheit bietet große Leinwände und gute Tonanlagen. Nachteilig ist dagegen der hohe Eintrittspreis und die unmäßig lange Werbung, die

    Was mich an Multiplexen am meisten schreckt, ist die oft haarsträubend schlechte Qualität der Vorführung. Im MaxX in München war bei drei von vier Besuchen nicht richtig scharf gestellt, zweimal war der Ton zu leise und wurde erst auf Nachfrage lauter gestellt. An der unscharfen Projektion wurde trotz Reklamation nichts geändert.

    Offensichtlich reicht es eben nicht aus, wenn ein einziger Vorführer sieben Säle bedienen soll. Scharf stellen geht am Besten, wenn Schrift im Bild zu sehen ist. Verpaßt der Vorführer diesen Zeitraum, weil er sich gerade einem anderen Saal widmet hat der Besucher Pech gehabt. Um festzustellen, ob die Lautstärke stimmt, muß der Vorführer den Saal persönlich betreten, denn im Projektionsraum kann man das nicht beurteilen. Unter Umständen sogar mehrmals. Dafür hat er aber in einem Multiplex oft keine Zeit. Seltsamerweise hat im Mathäser das sogar 14 Säle hat bislang immer alles gestimmt.

    Weil mir allerdings weder 30 Minuten Werbung, noch diese Massenabfertigung behagen, gehe ich lieber ins Cinema oder ins Arri die beide mit riesigen Leinwänden und gewaltigen THX-Systemen gesegnet, dabei aber trotzdem preisgünstiger sind. Wahrscheinlich haben Multiplexe eben höhere Kosten, weil sie viele Leute bezahlen müssen, die herumstehen und aufpassen, daß sich niemand verläuft. Vielleicht ist auch das Popcornverkaufspersonal zu teuer. Aber eigentlich habe ich keine Ahnung, warum schlechte Vorführungen und die doppelte Zeit an Werbung höhere Eintrittspreise mit sich bringen.

    Fairerweise muß man sagen, daß das Arri-Kino kein gewinnorientiertes Wirtschaftunternehmen ist, sondern ein Prestigeobjekt des Kameraherstellers und Kopierwerks. Das Cinema ist das aber und kann offensichtlich davon existieren, obwohl es zwischen 50 Cent und 4,50 € weniger Eintritt verlangt, als das Mathäser.

    Ich kann aber durchaus auch einen Besuch im Werkstattkino genießen, obwohl das wirklich eine schmuddelige Flohkiste ist. Dafür werden dort Filme gezeigt, die sonst nirgendwo zu sehen sind. „Wasted„, zum Beispiel.

    Für leise Filme gehe ich auch gerne mal ins Studio Isabella, weil es für mich zu Fuß in fünf Minuten zu erreichen ist. Filme wie „Maria voll der Gnade“ kann man sich gut mit Stereoton auf einer fünfeinhalb mal zweieinhalb Meter großen Leinwand ansehen.

    Was das Kinoangebot betrifft, hat man es in München wirklich ziemlich gut.

  • Wunschkonzert

    Internetradio fand ich immer etwas rückschrittlich, weil es ein lineares Medium ohne Interaktionsmöglichkeit ist, wie eben Radio. Vor einigen Jahren ging dann last.fm online, ein Internetradio, bei dem das Programm sich im Lauf der Zeit dem persönlichen Geschmack des Hörers anpaßte. Dazu muß er nur die gespielten Titel bewerten. Dabei wertet last.fm Ähnlichkeiten im Geschmack der Hörer aus.

    Wie gerade im Club der halbtoten Dichter zu lesen war, bietet Pandora einen neuen Ansatz. Nach eigenen Angaben haben sie das „Genom der Musik“ entschlüsselt, was wohl nichts anderes heißen soll, als daß sie die etwa 300.000 Titel von 10.000 Künstlern anhand einer ziemlich umfangreichen Liste an Kriterien bewertet haben.

    Einen kleinen Einblick nach welchen Kriterien Pandora bestimmte Titel zu spielen für angebracht hält, bekommt man durch einen Klick auf die Frage „Warum haben Sie dieses Lied gespielt?“. Da steht dann zum Beispiel, „Nachdem, was Sie uns bisher mitgeteilt haben, spielen wir diesen Titel, weil er eine weiche Gesangsstimme, leichte rhythmische Synkopierung, eine Mischung aus akustischer und elektrischer Instrumentierung und viele andere Ähnlichkeiten aufweist, die im Music Genome Project erfaßt sind.“

    Um den Einstieg zu finden, braucht man nichts weiter zu tun, als den Namen eines Liedes oder Interpreten einzugeben, der einem besonders gut gefällt und schon wird man angenehm mit ähnlichen Tönen umschmeichelt. Gefällt einem der gerade gespielte Titel nicht, kann man ihn ähnlich wie bei last.fm aussortieren.

    Damit man auch in anderen Stimmungslagen stets das richtige auf die Ohren bekommt, kann man im kostenlosen Angebot von Pandora bis zu 100 verschiedene „Radiosender“ anlegen. Pandora kündigt an, diese kostenlose Variante demnächst mit Werbung zu versehen. Ob der Hörgenuß künftig von Webespots unterbrochen wird oder nur Anzeigen auf der Seite eingeblendet werden, während die die Musik weiterspielt, ist nicht ersichtlich.

    Das Angebot ist aus lizenzrechtlichen Gründen bislang eigentlich auf die USA beschränkt. Dennoch hat Pandora sich aber weder an der Liechtensteiner E-Mail-Adresse, noch an der deutschen IP-Adresse gestört, die für diesen Test verwendet wurde.

    Man kann nur hoffen, daß Pandoras Geschäftsmodell aufgehen wird, denn dieses Web-Angebot ist ausgesprochen kurzweilig.

  • Zu Risiken und Nebenwirkungen…

    fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Täglich wird uns dieser Befehl eingehämmert, so oft, daß wir ihn schon gar nicht mehr bewußt wahrnehmen. Die beabsichtigte Wirkung dieses Mantras ist nicht erkennbar. Deutlich sichtbar sind dagegen Nebenwirkungen wie Langweile, Desinteresse und Resignation.

    Wie würde man wohl mit einem Gesprächspartner umgehen, der seine Ausführungen alle paar Minuten um die Aussage ergänzt, „bevor Sie eine Socke oder einen Strumpf anziehen, prüfen Sie die Länge Ihrer Fußnägel“? Abhängig von den verfügbaren Werkzeugen und Ihren anatomischen Kenntnissen würden Sie ihn entweder knebeln, bastonieren, ihm die Stimmbänder entfernen, oder eventuell sogar Gewalt anwenden, um der stumpfsinnigen Berieselung schnellstmöglich zu entgehen.

    Ähnlich verhält es sich mit dem epidemisch um sich greifenden Hinweis auf ein Urteil des Landgerichts Hamburg, das zu der Auffassung kam, wer unter Jubelgeschrei auf eine fremde Internetseite verweist, sich auch selbst deren Aussage zueigen macht und dafür geradestehen muß, wenn von vorneherein klar war, daß dort was verbotenes zu sehen ist. Dabei darf man, das sagt das Urteil auch, durchaus auf Seiten verweisen, die offensichtlich ungesetzlich sind, wenn man dazu sagt, daß man den verlinkten Inhalt nicht gut findet.

    Leider sind die meisten Macher privater Internetseiten in Deutschland durch haarstäubende Einfalt gezeichnet und von vorauseilendem Gehorsam erfüllt. So belästigen sie ihre Leser wieder und wieder mit dem immer selben pseudojuristischen Textbaustein, den sie voller Stolz als „obligatorischen Disclaimer“ zu betiteln Pflegen.

    Selbst durch den einfachen Terminus „ausdrücklich distanzieren“ sind sie heillos überfordert. Dabei ist das nun wirklich einfach. Dennoch will ich hier ein frei erfundenes Beispiel anführen:

    „Der unerträgliche Angeber Don Alphonso, wurde kürzlich bezichtigt, ein kleiner, dicker Troll zu sein.“

    Das ist eine deutliche Distanzierung, weil „unerträglicher Angeber“ ja kaum als Empfehlung verstanden werden kann. Schreibe ich hingegen

    „Der großartige Dichter und Schöngeist Herr Poodle fiel einem freiwilligen Art Director zur Last“

    hilft es auch nicht, wenn ich weiter unten schreibe, daß ich mich „ausdrücklich von den Inhalten aller Seiten distanziere auf die ich verweise“. Allenfalls würde Herr Poodle sich wundern, was ich gegen seine Internetseite habe.

    Trotzdem gibt es selbst sieben Jahre nach diesem Gerichtsurteil sogar eine Disclaimer-Seite, deren Textbaustein sogar besagt, daß der Betreiber einer Internetseite, die auf ihn verweist, sich von diesem distanziert.

    Warum diese nervtötenden Disclaimer völlig unsinnig sind, können Sie übrigens auch bei Michael Jendryschik nachlesen.

  • Blogrecycling

    Angeregt durch den illusteren Herrn Ole aus Absurdistan, zitiere ich hier nun den 5. Satz aus der 23. Ausgabe des Fachmagazins für Halbwissen „The Fellow Passenger“, dessen 166. Ausgabe sie soeben lesen:

    Etwas, woran er sich beim Schreiben festhalten kann.

    Ein Satz, der alleine gar nicht leben kann. Vielleicht hätte ich an das Ende des Satzes davor, lieber ein Komma setzen sollen. Aber so gefiel es mir besser. Und daß ich diesen Satz einst zitieren würde, konnte ich damals freilich nicht ahnen.

    Gut daß ich nicht so etwas an Hemmingway angelehntes schrieb, wie etwa, „Er setzte sich hin. Um zu Sterben. Im Regen. Allein.“

    Andererseits könnte ich aufgrund dieser Stöckchenaktion natürlich versuchen, meine Artikel künftig in einem einzigen Satz abzuhandeln, wie ja auch Kleist, der für seine undendlich tiefen Verschachtelungen von Sätzen einigen Ruhm erlangte, schon mehrere Buchseiten ohne einen Punkt zu setzen zu füllen vermochte, auch wenn das der Lesbarkeit seiner, oder auch meiner Ausführungen nicht gerade zuträglich ist, was nicht bedeuten soll, daß ich mich mit Kleist zu messen beabsichtige, was aber auch auf der anderen Seite einigermaßen mühevoll zu schreiben ist, weil man sehr leicht den Überblick verliert worüber man schon berichtet hat und welcher Satzteil noch seiner ausgefeilten Vervollständigung harrt, obwohl er bereits recht komplett klingt, aber eben nicht ist, weil sozusagen das Ende fehlt, was dem gepeinigten Leser schließlich erst die Bedeutung des Geschriebenen offenbart, die er zuvor ja nur vermuten, aber nicht wissen kann, was man ihm selbstverständlich nicht verübeln mag, weil sich in der deutschen Sprache der Sinn eines Satzes häufig erst mit dem letzten Wort erschließt oder, anders gesagt, durch das Fehlen des letzten Wortes die Aussage eines Satzes vollständig verloren geht, warum die „Bild“ sogar damit rechnet, daß der Leser den Anfang eines Satzes bis zu dessen Ende bereits wieder vergessen hat und daher keine Sätze schreibt, die länger als zwölf Wörter sind, was allerdings weit weniger ist, als ich für durchaus zumutbar erachte und deshalb gerne überschreite, wenn ich Texte verfasse, von denen ich hoffe, daß sie mit einigem Genuß gelesen werden, wobei ich aber das Rezeptionsvermögen des Lesers nicht über Gebühr in Anspruch nehmen möchte und daher in Zukunft darauf verzichten werde.

  • Heller und Pfennig

    Seit drei Jahren schon, genau seit dem 1. Januar 2002 haben wir nun neues Geld in unseren Taschen und Sparschweinen. Es ist sehr einheitlich, denn alle Länder der EU haben, bis auf England, die halbe EU hat das gleiche Geld. Das ist praktisch, weil man für einen Ski-Urlaub nicht extra österreichische Schillinge kaufen muß, sondern seinen Jägertee einfach mit Euro bezahlen kann. Eigentlich mußte man das früher auch nicht, denn die D-Mark war in der kleinen Alpenrepublik stets willkommen.

    Gleich, um nicht zu sagen Gleichgültig, ist auch die Gestaltung der Scheine. Statt Kupferstichen von Bettina von Arnim bis zu den Brüdern Wilhelm und Jacob Grimm auf der Vorder- und vom Brandenburger Tor bis zum „Deutschen Wörterbuch“ und der Königlichen Bibliothek Berlin auf der Rückseite, gibt es nur noch namenlose Architekturstudien und fiktive Brückenelemente neben einer Europakarte.

    Der Mangel an Kaufkraft mag umstritten sein, die visionäre Kraft der Euroschöpfer fehlt indes mit Sicherheit. Nicht einmal für eine 1000-Euro-Note hat es gereicht. Um das jammervolle Bild zu vervollständigen, hat man die Kategorie Kupfer um eine weitere Münze bereichert. Das neue „Fünferl“ im Wert eines alten „Zehnerl“ ist nun auch aus einer Kupferlegierung.

    Dabei braucht diese „Euro-Pfennige“ kein Mensch. Nur Supermärkte belasten Ihre Kundschaft ständig mit der Ausgabe von diesen kupferlegierten Cent-Münzen. Es mag ja sein, daß die deutsche Binnenwirtschaft endgültig zusammenbräche, würde eine 200 g Packung Räucherlachs für 7 statt 6,99 Euro verkauft. Ob diese Gefahr auch bestünde, wenn man einen für einen ganzen Einkaufswagen voller Bedarfsgüter statt 98,47 Euro einfach 98,50 Euro zu bezahlen hätte, wage ich zu bezweifeln.

    Ich sehe keine Veranlassung, stets einen Sack voll praktisch wertloser Kupfermünzen mit mir herumzutragen. Also werfe ich sie mit gewisser Abscheu nach jedem Einkauf in eine alte Konservenbüchse. Das führt jedoch zu weiterer Unbill, sobald das Gefäß voll ist. Nur weil es sich um ein gesetzliches Zahlungsmittel handelt, bedeutet das nämlich längst nicht, daß man damit etwas bezahlen könnte. Banken verweigern die Annahme. Ein offensichtlich geisteskranker Bankkaufmann wagte mir sogar den Vorschlag zu unterbreiten, ich solle die Münzen händisch nach Größe sortiert in Papierrollen verpacken, ehe er sie entgegennehmen würde.

    Wie diese Ausführungen klar belegen, krankt die deutsche Wirtschaft wie schon oft kolportiert am Euro. Allerdings nicht an der Währung als solches, sondern am Hirnrissigen Cent-Fetischismus, der damit einhergeht. Und natürlich am Fehlen des 1000-Euro-Scheins.

  • Elektronische Plagegeister

    Es ist mir ein Greuel, wenn mir jemand wild mit etwas vor der Nase herumfuchtelt, um meine Aufmerksamkeit zu erregen, während ich mit etwas anderem befasst bin. Aus diesem Grund wurden mir Televisionsapparate bereits seit langem unerträglich.

    Auch im Internetz ist es so, daß ständig blinkende und piepende Dreingaben zu verhindern suchen, daß ich mich in Ruhe mit den gewünschten Texten beschäftige. Gerade so, als wäre eine Internetseite nur dafür gut, sie möglichst schnell zugunsten einer anderen zu verlassen. Die Werbung mag ich den Werbetreibenden keineswegs verüblen. Wenn sie als sinnverwandter freundlicher Hinweis auftaucht, bin ich gerne bereit, ein durch sie beworbenes Angebot zu prüfen.

    Alles was mir bar jeder Verhältnismäßigkeit gewaltsam durch Rucken, Zucken oder Blinken in mein Sichtfeld gehämmert wird, füttere ich hingegen ohne weitere Untersuchung in den browsereigenden Adblock-Filter.

    Nach einer Möglichkeit sich blödsinniges Gezappel zu ersparen fragte auch Herr Sixtus und erhielt einen Tipp von MissM@rple, auf den ich hier gerne hinweisen möchte.

  • Tomatenbrot

    Erstmalig ist es der redaktionseigenen Bäckerei gelungen, ein Weißbrot herzustellen, das die gewünschte luftig-lockere Konsistenz aufweist, die schon in früheren Versuchen hätte erziehlt werden sollen. Das Ergebnis ist eine kleine Sensation! Ein Tomatenbrot das sogar völlig ohne Belag verzehrt, ein Genuß ist. Es ist leider etwas arg salzig geworden, weil die getrockneten Tomaten selbst schon enorm salzhaltig sind.

    Weißbrot mit getrockneten Tomaten drin

    Die Herstellung dauerte etwa zwei Stunden, die sich gelohnt haben. Die Liste der Zutaten:

    1 kg Weizenmehl Typ 405
    42 g frische Hefe
    30 g Salz
    30 g Zucker
    625 ml Wasser
    70 g getrocknete Tomaten (ohne Öl)
    1/2 Bund Petersilie

    Als Rezeptgrundlage diente dieser Vorschlag von Jamie Oliver.

    Für das nächste Exemplar wird nach einer Möglichkeit gesucht, die Tomaten vor der Verarbeitung zu entsalzen, oder doch die in Öl eingelegten zu verwenden.

  • Jahr und Tag

    Zeit ist ja an sich schon eine etwas seltsame Sache. Subjektiv vergeht sie mal schnell, dann wieder langsam. Die meisten Menschen die man so trifft haben immer zuwenig davon, was ja kein Wunder ist, weil sie doch andauernd vergeht, wie man sagt. Sie läuft also immer nur in eine Richtung. So richtig gut messen kann man sie auch nicht, weshalb man sich eine ziemlich knifflige Methode ausgedacht hat, etwas anderes zu messen und so auf das Voranschreiten der Zeit zu schließen. Man beobachtet die Schwingungen von bestimmten Cäsiumatomen und hat beschlossen, wenn man 9192631770 davon gezählt hat, ist eine Sekunde um.

    Neun Milliarden sind ganz schön viel. Wenn man zum Beispiel so viel Geld in Euro hätte, könnte man 75 Jahre lang jeden Monat eine Million ausgeben, bevor das Geld alle ist. Es gibt durchaus ein paar Leute die soviel und sogar mehr Geld haben. Die geben es aber nicht aus, sondern bemühen sich, noch mehr davon zu bekommen. Das erscheint ziemlich blödsinnig, weil man dann ja erst recht nicht dazu kommt, täglich mehr als 30000 Euro auszugeben.

    Noch blödsinniger ist es aber, wie Zeiteinheiten gestaltet sind. Die krumme Zahl 9192631770 kommt freilich nur dadurch zustande, weil die Sekunde schon viel früher als 1/86400 eines Tages festgelegt wurde. Diese Zahl ist auch krumm, was damit zusammenhängt, daß man die 12 früher mal für eine sehr praktische Menge hielt. Ein fataler Irrtum, wie jeder weiß, der schon einmal versucht hat, einem Amerikaner zu erklären wieviel Benzin ein Kraftfahrzeug verbraucht, der ja nur weiß, wie viele Meilen ein Automobil mit einer Gallone Benzin zurücklegen kann.

    Der Tag hat also zwei Dutzend Stunden. Warum eine Stunde aus zehn halben Dutzend Minuten besteht und die Sekunde wiederum aus zehn halben Dutzend Sekunden ist schwer nachvollziehbar. Klar ist, 2 x 12 Stunden x 60 Minuten x 60 Sekunden sind 86400. Aber es kommt noch dicker. Irgendwer hat bemerkt, daß man statt der Drehungen der Erde um ihre eigene Achse auch die Umkreisungen des Planeten um die Sonne zählen kann und ebenfalls auf das schließen kann, was wir Zeit nennen. Nur kam dabei eine völlig andere Einheit heraus, die wir als Jahr bezeichnen.

    Mit dem Umstand, daß ein Jahr 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 45 Sekunden dauert könnte man sich ja notfalls noch anfreunden. Die Geschwindigkeiten von Planeten sind klein genug, daß man die Relativitätstheorie außer Acht lassen und gefahrlos behaupten kann, ein Erdjahr dauert ungefähr 31556925 Sekunden.

    Blöd ist, daß der Kalender nur genau 31536000 Sekunden pro Jahr vorsieht, was man seit 1582 verzweifelt durch sogenannte Schaltjahre auszugleichen versucht. Die Erde weigert sich allerdings beharrlich die Mißweisung von 1/4 Tag pro Jahr einzuhalten. Darum verzichtet man inzwischen alle hundert Jahre auf den 29. Februar eines Schaltjahres. Das allerdings nur wenn die Jahreszahl nicht durch 400 teilbar ist.

    Als wäre dieses System nicht schon irrsinnig genug, spukt zusätzlich eine dritte Einheit darin umher, die darauf gründet, wie lange der Mond braucht, um einmal um die Erde zu kreisen. Dabei spielt die tatsächliche Dauer dieses Vorgangs offensichtlich längst keine Rolle mehr. Weder umkreist der Mond die Erde zwölf mal im Jahr, noch vergehen während einer Umrundung 31, 30, 29 oder 28 Tage.

    Der ist ein zum Scheitern verurteilter Versuch, drei voneinander völlig unabhängigen Bewegungen von Himmelskörpern unter einen Hut zu bringen. Ebensogut könnte man versuchen, einen Zusammenhang zwischen der Zeit herzustellen in der eine Blüte zu einem Apfel reift und der Zeit die er braucht, vom Baum auf den Boden zu fallen. Zieht man als Einteilung noch die Dauer heran, die Frucht zu verspeisen und setzt sie in Relation zu dem Zeitraum, in dem ein Apfel braucht um zu verfaulen, kommt man auf etwas das etwa so schlüssig ist wie der julianische Kalender. Wenn man nach etwa 1600 Jahren feststellt, daß all das vorne und hinten nicht zusammenpaßt, aber keine Lust hat sich etwas neues auszudenken, deswegen kurz 11 Äpfel auf einmal vertilgt und behauptet, daß manchmal auch Äpfel vom Boden auf den Baum fallen, entsteht ein Kalender wie der von Papst Gregor, der bis heute verwendet wird.