Unterschichtenlyrik I

Die Wirtschaft blüht in aller Pracht
dank unserer Regenten Hände Fleiß
Immerzu bei Tag und auch bei Nacht
schreibt die Presse diesen Scheiß

Wer gerne eine Arbeit will, sagt Beck
muß sich nur mal waschen und rasieren.
Selber ist er bärtig, welcher Schreck
das kann man mal im Parlament probieren

Bekommt ein Arbeitsloser ein Gesicht
schreibt ätzend gegen ihn die Springerpresse
denn das ist, so sagt man, ihre Pflicht
und schlägt ihm kraftvoll auf die Fresse

Wunderbar geht es der Unterschicht
denn Münte sagt, die gibt es nicht

Plano, Texas

Der Gedanke, Geld damit zu verdienen, daß man ein paar beliebig schwachsinnige Seiten ins Internet bugsiert ist überaus faszinierend. Vor allem ist es offenbar durchaus möglich.

Standbild aus dem Danny & Nina Video
Von was wird die junge Dame da gerade abgelenkt?

Das wohl jüngste Beispiel dürfte die Seite dannyandnina.com sein. In einem amateurhaft anmutenden Video auf YouTube erklären „Danny & Nina“, die „crazy idea“, ihren künftigen Wohnort davon bestimmen zu lassen, welche von 250 Städten in den USA per Internetabstimmung den größten Zuspruch erhält. Das erklärte Ziel: Eine Million Stimmen für einen Ort.

Das nicht erklärte Ziel: Eine ganze Menge Geld.

Bei 250 Städten und zwei Seiten, die man pro abgegebener Stimme zu sehen bekommt, dürften da schon 20 Millionen Seitenabrufe zustande kommen.

Werbeeinnahmen sind schwer zu schätzen. Seien es Google, ValueClick Media oder Amazon, keiner von Ihnen läßt sich in die Karten sehen. Offensichtlich ist Internetwerbung eine Geheimwissenschaft. Nehmen wir einen Cent pro Seitenabruf an (bei vier Partnerprogrammen pro Seite muß das drin sein).

0,01 € * 5000000 Stimmen = 50000 € Umsatz

Das ist nach unserer Auffassung sehr konservativ gerechnet. Ebensogut könnten die Erträge pro Seitenaufruf um Faktor 10 höher sein. Wenn Sie, lieber Leser, einen genaueren Ansatz kennen, lassen Sie es uns wissen.

Damit sich die Sache lohnt, müssen die 20 Millionen Seitenabrufe natürlich möglichst schnell zusammenkommen. Dazu braucht es eine große Zahl an willigen Klickäffchen. Einige kann man sicher über YouTube und MySpace anlocken. Das genügt aber nicht. Man müßte auch bei populären Weblogs und Internet-TV-Anbietern sowie der Online-Presse Erwähnung finden. Wie man es allerdings schafft, beispielsweise bei Ehrensenf über Monate täglich erwähnt zu werden wird wohl ein Geheimnis bleiben. Dem Unternehmen „Danny & Nina“ ist es jedenfalls gelungen. Kaum mehr als ein Quartal war nötig, um die Vorgabe zu erreichen.

Man muß auch keine Angst bekommen, wenn ein Klickäffchenzuträger sich in den Kopf setzt die Wahl für ein Kaff mit 240000 Einwohnern wie Plano in Texas zu entscheiden. Als Herr über die Datenbank kann man ohne Weiteres im letzten Augenblick eine unverfänglichere Wahl zugunstern einer Stadt herbeiführen, mit der man zuvor sogar eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben könnte. Wenn man so blöd war, sich im Video selbst zu zeigen, kann es auch der eigene Wohnort sein. Natürlich sollte man die Internetseite des Projekts dann lieber anonym registrieren, wie es zufällig auch bei Danny & Nina der Fall ist.

Sollte sich uns das Geheimnis erschließen, wie man potente Klickäffchenquellen erschließen kann, dürfen Sie schon bald beobachten, wie millionenfach darüber befunden wird, welches Haustier unser nichtsnutziger, selbstgefälliger sympathischer Chefredakteur sich zulegen soll. Nicht hier natürlich. Er will seinen Reichtum schließlich lieber unerkannt genießen.

Froschsuppe

Wie vor Ihnen schon viele, unter anderem Greenpeace, behaupten Sie, Herr Johannes Widmer,

Frösche würden zwar, in einen Topf mit zu heißem Wasser gesetzt, eiligst ihrem Schicksal zu entrinnen versuchen, aber in kaltem Wasser das allmählich zum Kochen gebracht wird, stoisch bis zum Exitus sitzen bleiben. Das ist sicher eine eindrucksvolle Metapher um den Umstand zu beschreiben, daß auch bedrohliche Veränderungen kaum wahrgenommen werden, wenn sie in in kleinen Schritten erfolgt.

Die Richtigkeit Ihrer Beobachtungen über die allgemeine Wahrnehmung der Erosion unserer Persönlichkeitsrechte durch staatliche und privatwirtschaftliche Überwachung möchten wir auch keineswegs in Abrede stellen. Ihre ansprechende Flash-Animation zu diesem Thema können wir unserer Leserschaft nur empfehlen.

Nur diese Froschgeschichte konnten wir nicht recht glauben und beschlossen ihr auf den Grund zu gehen. Eine entsprechende Versuchsanordnung in der Teeküche zeigte schon nach kurzer Zeit, daß sie ohne Frösche nicht funktioniert. Da keiner der angeschriebenen Frösche einer Teilnahme an diesem Experiment zustimmen wollte entschlossen wir uns, den Amphibien mit einer Internetrecherche zu Leibe zu rücken.

Eine glaubwürdige Quelle war schneller gefunden als ein sauberer Kochtopf: In einem Artikel in der „Zeit“ wird Victor Hutchinson von der amerikanischen University of Oklahoma mit den Worten zitiert, „Wenn die Temperatur steigt, wird der Frosch immer aktiver bei dem Versuch, dem erhitzten Wasser zu entkommen“.

Der Frosch ist also rehabilitiert. Ob allerdings der Mensch über Sensorik und Reflexe zum Schutz seiner Privatsphäre verfügt bleibt weiterhin unklar.

Perverse politische Posititionen

Der einzig wahre Experte für Gewaltkriminalität durch Jugendliche, Uwe Schünekamm, offenbart im Fellow Passenger Interview seine Pläne für den Weltfrieden, warum man mit Computern lieber nicht spielen sollte und daß der bayerische Innenminister eigentlich ein linksliberaler Softie ist.

TFP: Herr Schünekamm, Sie sind für ein Verbot von „Killerspielen“. Was ist das eigentlich?

Schünekamm: Pervers ist das! Da werden schon Jugendliche zu Mördern erzogen. In diesen Spielen gehen die schon fast selbstverständlich mit Schußwaffen um. Schußwaffen! Das muß man sich mal vorstellen.

TFP: Beziehen Sie sich auf Gotcha an, wo die Spieler sich mit Farbmunition beschießen oder auf Computerspiele wie Counter Strike, bei denen …

Schünekamm: Counter was? Das ist doch egal. Verboten muß das werden. Es kann doch nicht sein, daß es Spiele gibt, in denen es Punkte dafür vergeben werden daß man Frauen verstümmelt.

TFP: Solche Spiele sind doch aber in Deutschland schon seit Langem verboten.

Schünekamm: Das reicht eben nicht. Es müssen alle diese Gewaltspiele, Pac Man, Minesweeper oder wie sie heißen verboten werden. Jeder dieser Amokschützen hat schon mal Solitär gespielt Das ist statistisch belegt. Wer sowas herstellt vertreibt oder spielt gehört erschossen und zwar sofort. Sie haben ja keine Ahnung, wie die sind, diese Spiele. Wenn Sie wie ich, mal einen Bericht über ein Bildschirmfoto von so einem Teufelszeug angelesen hätten, würden Sie so eine naive Frage nicht stellen. Schon bei den ersten Sätzen wollte ich sofort meine Schwiegermutter erschießen.

TFP: Mit einer Schußwaffe, wie sie sie als Sportschütze ja selbst besitzen?


Majong: Killerspiele sind im Internetz frei zugänglich
Schünekamm: Das spielt doch überhaupt keine Rolle. Jeder dieser Amolläufer hatte eine Waff… äh, eine Affinität zu diesen Killerspielen. Da muß man doch nur eins und eins zusammenzählen. Wer killerspielt wird früher oder später zum Killer.

TFP: Was bei den meisten der mehreren hunderttausend Softair- Gotcha- und First-Person-Shooter allerdings noch nicht eingetreten ist.

Schünekamm: Noch nicht! Wir dürfen nicht warten bis die sich über das Internetz zu Armeen zusammenschließen und uns, bis an die Zähne bewaffnet, alle umbrigen.

TFP: Bewaffnet mit Farbpistolen, Computermäusen und Tastaturen und nicht wie sie mit scharfen Waff…

Schünekamm: So wie diese meinen Sie? Überlegen Sie sich Ihre nächste Frage gut, sonst…

TFP: Ähm. Schönes Wetter heute nicht? Viel wärmer als man es um die Zeit erwarten würde.

Schünekamm: Na also. Geht doch. Meinem Kollegen Günni aus Bayern möchte ich noch folgendes Zitat aus einem Filmplakat nahebringen: „If some asshole thinks he is Charles Bronson break his nose with the butt of your gun“.

TFP: Vielen Dank für dieses Gespräch.

Ein Nachtrag aus sicherer Entfernung: Auch härtere Waffengesetze, wie sie beispielsweise der geschätzte Herr Kollege Farlion fordert brauchen wir so dringend wie ein Loch im Kopf. In weniger als einem Prozent der Tötungsdelikte kommen legal besessene Schußwaffen zum Einsatz. Zwei Drittel der in Deuschland existierenden drei Millionen Schießeisen sind ilegal. Wer jemandem nach dem Leben trachtet wird dafür immer Wege finden. Das ist nicht schön, aber es läßt sich nicht verhindern. Glücklicherweise kommt es nur sehr selten vor. Es existiert schlichtweg kein Handlungsbedarf.
Fotos: Wikipedia (in einem Artikel zu einem Mann der ganz ähnlich heißt), Fellow Passenger Archiv

Werbetreibende

Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, daß unter den „Sonderseiten“ neuerdings ein ganz spezielles Internetangebot hinzugekommen ist. Die Seite sieht nicht nur ungewohnt häßlich aus sondern wird selbst über atemberaubend schnelle Datenleitungen nur äußerst zäh übertragen. Sie sei Ihrer Lektüre nicht wert, werden Sie sich gedacht haben, falls Sie sie bereits angesehen haben. Damit haben Sie vollkommen recht. Sie ist auch gar nicht für Sie gemeint.

Das Internetz wird unter anderem von einer Unzahl von Computerprogrammen bevölkert, die es selbsttätig nach Informationen durchforsten. Aus uns nicht nachvollziehbaren Gründen, werden diese Programme „Roboter“ genannt, obwohl sie keinerlei mechanische Bestandteile aufweisen.
Es ist gute Sitte, daß diese Roboter sich an der Hausordnung der Internetzrefugien orientieren in denen sie herumstolpern. Diese Hausordnung ist, sofern vorhanden, direkt am Eingang angeschlagen und zwar als Datei mit dem Namen „robots.txt“. In dieser wird in für Roboter verständlichen Worten erläutert, zu welchen Inhalten ihnen der Zutritt gestattet oder auch verwehrt ist.

Nicht alle dieser Roboter sind so wohlerzogen, die Gepflogenheiten ihrer Gastgeber zu beherzigen. Allen voran jene, die darauf bedacht sind E-Mail-Adressen zu sammeln, an die ihre Herrchen Werbebotschaften zu senden trachten in denen es zumeist um den Absatz von dubiosen Pharmazieartikeln oder die vermeintlichen Vorzüge von virtuellen Kartenspielen geht.

An diese Art Roboter richtet sich die Seite Nur für Werbetreibende. Sie erfindet massenhaft E-Mail-Adressen, die sie im 10 Sekundentakt emmitiert. Jeweils gepaart mit einem Link zu einer weiteren Seite, die das gleiche tut. Der rüpelhafte Roboter wird auf diese Weise mit unendlich vielen E-Mail-Adressen auf unendlich vielen Seiten konfrontiert, die zu verdauen er kaum in der Lage sein kann.

Die Seite basiert auf einem Programm von Peter Schuetz und ist inspiriert von Herrn ax11, der bei der technischen Umsetzung bereitwillig und geduldig geholfen hat. Vielen Dank dafür!

Entschlackung

Insbesondere dauerdiätierende Damen begründen ihre Weigerung der Nahrungsaufnahme gerne mit dem Bedürfnis nach einer Entschlackung. Gleichwohl ist kaum erklärlich, wie sich wohl in einem Menschenleib ein poröser bis blasendurchsetzter Klumpen bilden sollte, der zudem nur durch besondere Ernährung, beziehungsweise Nichternährung ausgeschieden werden könnte. Es ist ja nicht so, daß Lebewesen ihre Nahrung unter Entwicklung von Gluthitze zu Asche verbrennen würden und dabei metallische Bestandteile schmelzen.

Dennoch haben esoterische Körperreinigungsmethoden durchaus Vorzüge. Sie können nämlich einen ausgesprochen erheiternden Anblick bieten, wie insbesondere die auf der Webseite von Yoga Vidya dargestellte Nasenreinigung trefflich demonstriert.

Entschlacken Sie also nach Herzenslust  und bitte schicken Sie uns Bilder davon.

Zensurstelle Des Fernsehens

Auch der größte öffentlich-rechtliche Fernsehsender Deutschlands, das XXX1 hat die Unsitte der Abmahnung als Zensurinstrument für sich entdeckt. Die Sendeanstalt ist nämlich der Auffassung, ihre Webekampagne zur Sendereihe Xxxxxx Xxxxxx2 dürfe nicht satirisch aufs Korn genommen werden. Dabei beruft sie sich freilich auf Marken- und Urheberrecht, denn eine Zensur findet ja bekanntlich immer durch die Hintertür nicht statt.

Mit dieser Begründung hat der Sender am 23.11.2006 die Betreiber der Seite Sozialistische Positionen abgemahnt. Dort war die Verballhornung eines Plakats für die Sendung eingestellt. Unter einem Bild vom Nürnberger Reichsparteitag stand, „Ohne xxx Xxxxxx3 sieht man besser, warum es ohne Deutschland besser ist. Die Patrioten-Show: Die größten Deutschen – Mozart & Co.“ Wie in der Originalanzeige, war auch hier das Logo des XXX1 zu sehen. Das kalifornische Internet Archive enthält übrigens bis zur Stunde, das sei zum Zweck der Dokumentation erwähnt, noch eine Kopie der Satire, die sich ursprünglich unter der Adresse http://www.sopos.org/poster.php3?id=4 befand.

Es genieße einen umfassenden Schutz am Titel Xxxxxx Xxxxxx2, ließ das XXX1 wissen. Die satirische Verfremdung des Plakats verunglimpfe die Werbekampagne in unzulässiger Weise. Der Sender sieht darin unlauteren Wettbewerb. Zudem könne die Verwendung des gleichen Layouts ein Verstoß gegen das Urheberrecht sein.

Das wift die Frage auf, wie Sopos.org mit dem XXX1 in Wettbewerb stehen soll. Eine Sendereihe in der Zuschauer über besondere Leistungen die in Deutschland erbracht wurden abstimmen kann, bietet der vermeintliche Konrurrent schließlich nicht an.

Überhaupt könnte man meinen, der Sender leide unter Realitätsverlust. Immerhin stehen in der Sendung auch Personen wie der 1858 in Mähren, also durchaus nicht in Deutschland geborene Sigmund Freud zur Wahl. Das ist denn auch die Kritik die die Satire aufgriff. Laut einer Presseerklärung von Sopos.org erträumt sich das XXX1 „offenbar noch heute einen großdeutschen Kulturraum von der Maas bis an die Memel, den es historisch nicht gegeben hat.“

Die Abmahnung verfehlte ihre Wirkung freilich nicht. So wenig aussichtsreich eine gerichtliche Auseinandersetzung für den Sender auch wäre, bleibt das Risiko für Sopos.org zu hoch. Den Streitwert hat das XXX1 mit 100.000 Euro beziffert.

1 Der Name des Senders ist Markenrechtlich geschützt, sagt er. Das berücksichtigen wir selbstverständlich und nennen ihn daher nicht.
2 Der Titel ist markenrechtlich geschützt, sagt das XXX1. Das berücksichtigen wir selbstverständlich und nennen ihn daher nicht.
3 Das Numerale mit bestimmtem Artikel ist als Bestandteil des Werbeslogans als Begriff für den Sender markenrechtlich geschützt, was wir selbstverständlich berücksichtigen. Wir nennen ihn daher nicht.

Mysterium Polonium

Obschon Polonium neuerdings geradezu in aller Munde ist, scheint es sich bei der bereits 1898 von Marie Curie entdeckten Substanz um etwas ausgesprochen rätselhaftes zu handeln. Hauptsächlich wohl, weil es heute mit zweifelhaften geheimdienstlichen Aktivitäten in Verbindung gebracht wird, die ja schon natürlicherweise rätselhaft sein müssen.

Charakteristisch für das radioaktive Schwermetall soll ein blaues Leuchten sein. Allerdings sind die Mengen in denen es üblicherweise, selbst in den Händen von gut ausgestatteten Giftmördern vorkommt so gering, daß man den Stoff gar nicht sehen kann — trotz eingebauter Beleuchtung. Der Spiegel schreibt:

Nach Angaben der britischen Royal Society of Chemistry reicht schon ein Mikrogramm Polonium-210 – eine Menge, die in etwa einem Staubkorn entspreche – aus, um einen Menschen zu töten.

Eine sichtbare Menge würde auch allerlei Probleme mit sich bringen. Zumindest schreibt der österreichische „Standard“, bereits ein Gramm entwickle 140 Watt an Wärmeenergie. In der Hosentasche wäre ein entsprechendes Fläschchen wie es sich der Nachrichtenkanal N24 vorstellt demnach wohl ungefähr so gut transportieren wie ein Stückchen glühende Kohle.

Zudem läge der übliche Marktpreis einer solchen Menge Poloniumn 210 bei rund zwei Millionen Dollar. Die zugegeben faszinierende Vorstellung, ein Agent mit Lizenz zum Töten appliziere ein wenig von einer Substanz die bläulich aus ihrem Transportbehältnis leuchtet scheint also etwas praxisfern.

Es ist nicht ganz klar, ob Polonium als Luxusgift gelten darf. Zwar ist es deutlich teurer als Luxusdrogen, wie beispielsweise Kokain, andererseits ist es wie erwähnt sehr sparsam in der Anwendung. Mit Hilfe eines komplizierten mathematischen Verfahrens (Division) konnten Experten ermitteln, daß eine tödliche Menge bereits ab zwei Dollar zu haben ist. Dafür muß der wirtschaftlich denkende Assassine allerdings die Angebote des Marktes sorgfältig vergleichen. Kauft er nicht direkt im russischen Großhandel sondern im Internetshop von Bob Lazar, der allerdings nur in die USA liefert, muß er für eine tödliche Dosis eine Million Dollar berappen und zudem die Substanz mühsam aus dem versiegelten Trägermaterial der etwa 15000 benötigten Strahlenquellen pulen. Eingedenk einer gewünschten Menge von der Größe eines Staubkorns sicher ein schwieriges Unterfangen, was Herr Rötzer in seinem Artikel auf Telepolis allerdings unberücksichtigt lässt.

Hätte man die empfohlene tödliche Dosis im Fall Litwinenko nicht um ein Hundertfaches überschritten, wäre das Gift bis zum Zeitpunkt der medizinischen Untersuchung wahrscheinlich nicht mehr oder nur noch in unverdächtigen Spuren nachweisbar gewesen. Spuren sind aber nicht nur in einschlägigen Sushibars, Hotels und Flugzeugen zu finden, sondern offenbar geradezu überall, wie ein Beitrag auf pickings.de erläutert. Für Mordanschläge weist Polonium 210 also geradezu ideale Eigenschaften auf. Nur die richtige Dosis ist schwer abzumessen.

Vielleicht ließen sich mit Antistatikbürsten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen sind sie frei verkäuflich, zum anderen ist die Dosierung leichter. Sechs Stück enthalten laut New York Times eine letale Menge Polonium 210. Zwar wird in diesem Zusammenhang erwähnt, es bedürfe einiger Laborerfahrung um das Polonium daraus zu gewinnen. Es erschließt sich aber nicht, ob der engagierte Hobbyagent sich auch mit den zermahlenen Borsten behelfen könnte.

Offenbar gibt es neben Atomreaktoren auch biologische Möglichkeiten, das hochwirksame Gift zu gewinnen. Zum Beispiel aus Tabak. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärt der Wissenschaftshistoriker Robert Proctor, „die Pflanzen nehmen mit ihren Wurzeln Zerfallsstoffen von Uran auf. Das ist zunächst radioaktives Blei, das sich dann zu Polonium-210 zersetzt …“

Unklar ist, wieviele Zigaretten genau gebraucht würden, um eine tödliche Menge des Poloniumisotops zu gewinnen. Da hier aber vermutlich eher in Containern als in Schachteln gerechnet werden muß, dürfte auch der umweltbewußte Auftragskiller abgeschreckt sein, der für Bioprodukte gerne etwas mehr ausgibt. Schon wegen der mörderisch hohen Tabaksteuer.