Autor: Fellow Passenger

  • Werbetreibende

    Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, daß unter den „Sonderseiten“ neuerdings ein ganz spezielles Internetangebot hinzugekommen ist. Die Seite sieht nicht nur ungewohnt häßlich aus sondern wird selbst über atemberaubend schnelle Datenleitungen nur äußerst zäh übertragen. Sie sei Ihrer Lektüre nicht wert, werden Sie sich gedacht haben, falls Sie sie bereits angesehen haben. Damit haben Sie vollkommen recht. Sie ist auch gar nicht für Sie gemeint.

    Das Internetz wird unter anderem von einer Unzahl von Computerprogrammen bevölkert, die es selbsttätig nach Informationen durchforsten. Aus uns nicht nachvollziehbaren Gründen, werden diese Programme „Roboter“ genannt, obwohl sie keinerlei mechanische Bestandteile aufweisen.
    Es ist gute Sitte, daß diese Roboter sich an der Hausordnung der Internetzrefugien orientieren in denen sie herumstolpern. Diese Hausordnung ist, sofern vorhanden, direkt am Eingang angeschlagen und zwar als Datei mit dem Namen „robots.txt“. In dieser wird in für Roboter verständlichen Worten erläutert, zu welchen Inhalten ihnen der Zutritt gestattet oder auch verwehrt ist.

    Nicht alle dieser Roboter sind so wohlerzogen, die Gepflogenheiten ihrer Gastgeber zu beherzigen. Allen voran jene, die darauf bedacht sind E-Mail-Adressen zu sammeln, an die ihre Herrchen Werbebotschaften zu senden trachten in denen es zumeist um den Absatz von dubiosen Pharmazieartikeln oder die vermeintlichen Vorzüge von virtuellen Kartenspielen geht.

    An diese Art Roboter richtet sich die Seite Nur für Werbetreibende. Sie erfindet massenhaft E-Mail-Adressen, die sie im 10 Sekundentakt emmitiert. Jeweils gepaart mit einem Link zu einer weiteren Seite, die das gleiche tut. Der rüpelhafte Roboter wird auf diese Weise mit unendlich vielen E-Mail-Adressen auf unendlich vielen Seiten konfrontiert, die zu verdauen er kaum in der Lage sein kann.

    Die Seite basiert auf einem Programm von Peter Schuetz und ist inspiriert von Herrn ax11, der bei der technischen Umsetzung bereitwillig und geduldig geholfen hat. Vielen Dank dafür!

  • Entschlackung

    Insbesondere dauerdiätierende Damen begründen ihre Weigerung der Nahrungsaufnahme gerne mit dem Bedürfnis nach einer Entschlackung. Gleichwohl ist kaum erklärlich, wie sich wohl in einem Menschenleib ein poröser bis blasendurchsetzter Klumpen bilden sollte, der zudem nur durch besondere Ernährung, beziehungsweise Nichternährung ausgeschieden werden könnte. Es ist ja nicht so, daß Lebewesen ihre Nahrung unter Entwicklung von Gluthitze zu Asche verbrennen würden und dabei metallische Bestandteile schmelzen.

    Dennoch haben esoterische Körperreinigungsmethoden durchaus Vorzüge. Sie können nämlich einen ausgesprochen erheiternden Anblick bieten, wie insbesondere die auf der Webseite von Yoga Vidya dargestellte Nasenreinigung trefflich demonstriert.

    Entschlacken Sie also nach Herzenslust  und bitte schicken Sie uns Bilder davon.

  • Zensurstelle Des Fernsehens

    Auch der größte öffentlich-rechtliche Fernsehsender Deutschlands, das XXX1 hat die Unsitte der Abmahnung als Zensurinstrument für sich entdeckt. Die Sendeanstalt ist nämlich der Auffassung, ihre Webekampagne zur Sendereihe Xxxxxx Xxxxxx2 dürfe nicht satirisch aufs Korn genommen werden. Dabei beruft sie sich freilich auf Marken- und Urheberrecht, denn eine Zensur findet ja bekanntlich immer durch die Hintertür nicht statt.

    Mit dieser Begründung hat der Sender am 23.11.2006 die Betreiber der Seite Sozialistische Positionen abgemahnt. Dort war die Verballhornung eines Plakats für die Sendung eingestellt. Unter einem Bild vom Nürnberger Reichsparteitag stand, „Ohne xxx Xxxxxx3 sieht man besser, warum es ohne Deutschland besser ist. Die Patrioten-Show: Die größten Deutschen – Mozart & Co.“ Wie in der Originalanzeige, war auch hier das Logo des XXX1 zu sehen. Das kalifornische Internet Archive enthält übrigens bis zur Stunde, das sei zum Zweck der Dokumentation erwähnt, noch eine Kopie der Satire, die sich ursprünglich unter der Adresse http://www.sopos.org/poster.php3?id=4 befand.

    Es genieße einen umfassenden Schutz am Titel Xxxxxx Xxxxxx2, ließ das XXX1 wissen. Die satirische Verfremdung des Plakats verunglimpfe die Werbekampagne in unzulässiger Weise. Der Sender sieht darin unlauteren Wettbewerb. Zudem könne die Verwendung des gleichen Layouts ein Verstoß gegen das Urheberrecht sein.

    Das wift die Frage auf, wie Sopos.org mit dem XXX1 in Wettbewerb stehen soll. Eine Sendereihe in der Zuschauer über besondere Leistungen die in Deutschland erbracht wurden abstimmen kann, bietet der vermeintliche Konrurrent schließlich nicht an.

    Überhaupt könnte man meinen, der Sender leide unter Realitätsverlust. Immerhin stehen in der Sendung auch Personen wie der 1858 in Mähren, also durchaus nicht in Deutschland geborene Sigmund Freud zur Wahl. Das ist denn auch die Kritik die die Satire aufgriff. Laut einer Presseerklärung von Sopos.org erträumt sich das XXX1 „offenbar noch heute einen großdeutschen Kulturraum von der Maas bis an die Memel, den es historisch nicht gegeben hat.“

    Die Abmahnung verfehlte ihre Wirkung freilich nicht. So wenig aussichtsreich eine gerichtliche Auseinandersetzung für den Sender auch wäre, bleibt das Risiko für Sopos.org zu hoch. Den Streitwert hat das XXX1 mit 100.000 Euro beziffert.

    1 Der Name des Senders ist Markenrechtlich geschützt, sagt er. Das berücksichtigen wir selbstverständlich und nennen ihn daher nicht.
    2 Der Titel ist markenrechtlich geschützt, sagt das XXX1. Das berücksichtigen wir selbstverständlich und nennen ihn daher nicht.
    3 Das Numerale mit bestimmtem Artikel ist als Bestandteil des Werbeslogans als Begriff für den Sender markenrechtlich geschützt, was wir selbstverständlich berücksichtigen. Wir nennen ihn daher nicht.

  • Mysterium Polonium

    Obschon Polonium neuerdings geradezu in aller Munde ist, scheint es sich bei der bereits 1898 von Marie Curie entdeckten Substanz um etwas ausgesprochen rätselhaftes zu handeln. Hauptsächlich wohl, weil es heute mit zweifelhaften geheimdienstlichen Aktivitäten in Verbindung gebracht wird, die ja schon natürlicherweise rätselhaft sein müssen.

    Charakteristisch für das radioaktive Schwermetall soll ein blaues Leuchten sein. Allerdings sind die Mengen in denen es üblicherweise, selbst in den Händen von gut ausgestatteten Giftmördern vorkommt so gering, daß man den Stoff gar nicht sehen kann — trotz eingebauter Beleuchtung. Der Spiegel schreibt:

    Nach Angaben der britischen Royal Society of Chemistry reicht schon ein Mikrogramm Polonium-210 – eine Menge, die in etwa einem Staubkorn entspreche – aus, um einen Menschen zu töten.

    Eine sichtbare Menge würde auch allerlei Probleme mit sich bringen. Zumindest schreibt der österreichische „Standard“, bereits ein Gramm entwickle 140 Watt an Wärmeenergie. In der Hosentasche wäre ein entsprechendes Fläschchen wie es sich der Nachrichtenkanal N24 vorstellt demnach wohl ungefähr so gut transportieren wie ein Stückchen glühende Kohle.

    Zudem läge der übliche Marktpreis einer solchen Menge Poloniumn 210 bei rund zwei Millionen Dollar. Die zugegeben faszinierende Vorstellung, ein Agent mit Lizenz zum Töten appliziere ein wenig von einer Substanz die bläulich aus ihrem Transportbehältnis leuchtet scheint also etwas praxisfern.

    Es ist nicht ganz klar, ob Polonium als Luxusgift gelten darf. Zwar ist es deutlich teurer als Luxusdrogen, wie beispielsweise Kokain, andererseits ist es wie erwähnt sehr sparsam in der Anwendung. Mit Hilfe eines komplizierten mathematischen Verfahrens (Division) konnten Experten ermitteln, daß eine tödliche Menge bereits ab zwei Dollar zu haben ist. Dafür muß der wirtschaftlich denkende Assassine allerdings die Angebote des Marktes sorgfältig vergleichen. Kauft er nicht direkt im russischen Großhandel sondern im Internetshop von Bob Lazar, der allerdings nur in die USA liefert, muß er für eine tödliche Dosis eine Million Dollar berappen und zudem die Substanz mühsam aus dem versiegelten Trägermaterial der etwa 15000 benötigten Strahlenquellen pulen. Eingedenk einer gewünschten Menge von der Größe eines Staubkorns sicher ein schwieriges Unterfangen, was Herr Rötzer in seinem Artikel auf Telepolis allerdings unberücksichtigt lässt.

    Hätte man die empfohlene tödliche Dosis im Fall Litwinenko nicht um ein Hundertfaches überschritten, wäre das Gift bis zum Zeitpunkt der medizinischen Untersuchung wahrscheinlich nicht mehr oder nur noch in unverdächtigen Spuren nachweisbar gewesen. Spuren sind aber nicht nur in einschlägigen Sushibars, Hotels und Flugzeugen zu finden, sondern offenbar geradezu überall, wie ein Beitrag auf pickings.de erläutert. Für Mordanschläge weist Polonium 210 also geradezu ideale Eigenschaften auf. Nur die richtige Dosis ist schwer abzumessen.

    Vielleicht ließen sich mit Antistatikbürsten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen sind sie frei verkäuflich, zum anderen ist die Dosierung leichter. Sechs Stück enthalten laut New York Times eine letale Menge Polonium 210. Zwar wird in diesem Zusammenhang erwähnt, es bedürfe einiger Laborerfahrung um das Polonium daraus zu gewinnen. Es erschließt sich aber nicht, ob der engagierte Hobbyagent sich auch mit den zermahlenen Borsten behelfen könnte.

    Offenbar gibt es neben Atomreaktoren auch biologische Möglichkeiten, das hochwirksame Gift zu gewinnen. Zum Beispiel aus Tabak. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärt der Wissenschaftshistoriker Robert Proctor, „die Pflanzen nehmen mit ihren Wurzeln Zerfallsstoffen von Uran auf. Das ist zunächst radioaktives Blei, das sich dann zu Polonium-210 zersetzt …“

    Unklar ist, wieviele Zigaretten genau gebraucht würden, um eine tödliche Menge des Poloniumisotops zu gewinnen. Da hier aber vermutlich eher in Containern als in Schachteln gerechnet werden muß, dürfte auch der umweltbewußte Auftragskiller abgeschreckt sein, der für Bioprodukte gerne etwas mehr ausgibt. Schon wegen der mörderisch hohen Tabaksteuer.

  • Wie ich einmal einen Kurzfilm fast gesehen hätte

    Der Kurzfilm Fair Trade von Michael Dreher, den ein Freund einer Freundin geschnitten hat, ist für den Schnittpreis des Fachmagazins „Schnitt“ nominiert. Auch andere Preise soll er bereits erhalten haben. Natürlich wollte ich wissen, was der Freund der Freundin so schneidet. R., die Freundin, auch. Darum wollten wir den Film heute um 22:00 im Filmuseeum am St.-Jakobs-Platz ansehen. Ich kam fast pünktlich, R. hingegen gar nicht. Das hätte ich auch machen sollen, denn die Vorstellung war ausverkauft.

  • Weibergschichtn

    Es ist warm in der Fraunhoferstraße beim M. C. Müller zu München. Sehr warm sogar. Man soll wohl durstig sein in diesem Lokal, damit man viel zu trinken bestellt. Der Wirt hat nämlich Angst um seinen guten Sonntagsumsatz. Deswegen kostet die Bloglesung heute Eintritt. Nicht für die Organisatoren, sondern für den Wirt, der meint daß zu so einer Black, Block also eben zu so einer Lesung, von Leuten, die nicht prominent sind kaum keiner hingeht. Tatsächlich war es dann so, daß rund 60 Menschen erschienen sind, um den „Weibergschichtn“ aufmerksam zu lauschen. Von den wohl sonst an einem Sonnag üblichen 3.800 Stammgäste mußte glücklicherweise keiner abgewisesen werden, weil sie offenbar schon vorher bescheid wußten, daß heute etwas Besonderes geschehen würde was sie nicht zu ertragen imstande gewesen wären, weshalb sie gar nicht erst erschienen sind. Wie schnell sich sowas herumspricht.

    Wie auch immer. Drei Lewonzen gibt man jedenfalls gern, wenn man auch nur ahnt, was einen erwartet, wenn „Weibergschichtn“ gelesen werden sollen. Für völlig unkundige Leser: Wer hier radikalemanzipatorische Schwanz-Ab-Geschichten erwartet, irrt gänzlich. Die vier hinreißenden Damen beißen nicht, und sind überaus charmant.

    Frau Klugscheißer die diesen schönen Abend organisiert hat, gibt nach einer kurzen Begrüßung das Wort an Frau Kaltmamsell, die grandios über ein Gedankenexperiment berichtet, welches darin besteht, sich Hollywood-Filme mit vertauschten Geschlechtern der beteiligten Figuren vorzustellen. Eine Idee die unbedingt jedem zur Nachamung empfohlen werden kann. Ich nehme mir vor, das gleich für den weiteren Verlauf der Lesung zu versuchen.

    Frau Klugscheißer liest diesmal einen Beitrag, der eine spöttische Retrospektive auf erste zwischengeschlechtliche Erfahrungen ist und in einem dramatisch ausgestalteten Toilettenfehler kulminiert. Nicht so sehr diese Pointe ist es, sondern der Weg dorthin, der dieser Schilderung Witz verleiht. Ihr zweiter Beitrag, “Hello, hey Jo, you wanna give it a go?” beschäftigt sich mit kleinwüchsigen Münchner Originalen und ernsthafen Typen, die am nächsten Tag früh raus müssen. Hinreißend waren beide. Die Geschichten meine ich. Mit dem imaginären Geschlechtertausch in meinem Kopf will es noch nicht so recht klappen.

    Frau Spruced brilliert sogleich mit einer Geschichte über Vorbilder die man als Schülerin anhimmelt und Jahre später verabscheut. „So sind Schulmädchen eben“, würde man sich denken, wüsste man nicht selbst, daß es bei den Buben nie anders war. Den Damen ist dieser Umstand vermutlich unbekannt, weil die Herren nie darüber sprechen. Vor lauter Spannung habe ich übersehen, die Geschlechter der Protagonisten umzukehren. Macht nichts, denke ich mir. In der Pubertät wird jeder zum Deppen. Die Geschlechtszugehörigkeit wird in diesem Lebensabschnitt deutlich überbewertet.

    Wie schon erwartet begeistert Martina Kink mit ihrem unerreicht lakonisch-trockenen Vortragsstil. Mit einer gesunden Portion Selbstironie schildert sie, unter anderem warum Knaben aus Chiemgau ebensowenig ihr Typ sind, wie ein 320er BMW, den sie inzwischen längst verkauft hat. Wie sich das Automobil welches sich schon vor dem Verlauf einigermaßen selbsttätig um einen Baum gewickelt hatte, dennoch gut veräußern ließ habe ich nicht ganz verstanden. Es freut mich jedenfalls, daß beide (Frau Kink und der Baum) die Begebenheit offenbar wohlbehalten überstanden haben. Ich versuche kurz die Geschlechter von Landpolizisten und Baum zu vertauschen, muß aber gleich einer weiteren Geschichte von Frau Spuced zuhören, die mich zu sehr ablenkt.

    Dem frenetischen Applaus nach zu urteilen bin ich nicht der einzige, der ihre Gesschichte über eine Lesung im P1 für den Höhepunkt des Abends hält. Ein kleinwüchsiger Amerikaner in pinker Jacke liest über mehr oder weniger unfehlbare Angrabtechniken, die von der Zuhörerschaft sofort an den anwesenden … aber lesen sie es selbst (auf englisch).

    Da kann man sich die Finger wundschreiben wie man will. Die wunderbare Atmosphäre kann man nicht mit ein paar ins Blog gehackten Worten transportieren. Vielleicht gelänge dies halbwegs mit Video- oder Tonmitschnitten. Das hat sich allerdings bei den letzten Münchner Lesungen als technisch möglich, aber persönlich nicht machbar herausgestellt. Wenn man kann, geht man also besser selbst hin. Es lohnt sich immer. Selbst für den Wirt.

  • Kahlschlag im Schilderwald

    StraßenverkehrAnarchie im Straßenverkehr ist offenbar geeignet, seine Teilnehmer sicherer und schneller ans Ziel zu bringen. Statt an jeder Kreuzung Ampeln aufzustellen, Geschwindigkeiten und Richtungen zum Abbiegen vorzuschreiben lässt man die Verkehrsteilnehmer im holländischen Ort Drachten mit 45.000 Einwohnern einfach in Ruhe. Mit bemerkenswertem Erfolg, wie in der „Zeit“ zu lesen ist:

    Autos stoppen für Fußgänger. Lasterfahrer stimmen sich mit Radfahrern per Blickkontakt ab. Ein Mann mit roter Jacke auf einem Rennrad späht in das Innere eines schwarzen Toyota und signalisiert dem Fahrer, dass er abbiegen und ihm nicht in die Quere kommen wird. Ein weißhaariger Herr im motorisierten Rollstuhl kreuzt quer über die Fahrbahn, und niemand hupt. Kaum ein Fahrzeug fährt schneller als 20 Stundenkilometer, doch weil fast niemand anhalten muss, dauert es heute nur etwa 10 Minuten, um das Zentrum von Drachten zu durchqueren, während es früher 20 waren. Und die Unfallstatistiken sind prima. An mittlerweile 107 Straßen und Kreuzungen hat Monderman sein Shared-Space-Konzept umgesetzt. An keiner ereignete sich bisher ein ernster oder gar tödlicher Unfall.

    Daß die über 20 Millionen Verkehrsschilder in Deutschland eigentlich nichts gutes bewirken können ist übrigens sogar schon länger bekannt, wie „Spiegel“ (auch Online) schreibt:

    Psychologen haben diese Überfütterung längst als unsinnig enttarnt. Rund 70 Prozent der Hinweise werden überhaupt nicht wahrgenommen. Zudem entmündigt die Verbotsflut den Fahrzeuglenker und fördert dessen sittliche Verrohung. Er hält zwar vorm Zebrastreifen, fühlt sich dafür aber berechtigt, dem Fußgänger überall sonst das Überqueren der Straße zu verweigern. Jede Ampel lockt ihn mit der Verheißung: Das schaffst du noch bei Gelb.

    Im Grunde ist es nicht überraschend. In asiatischen Großstädten wird dieses Verkehrskonzept seit Dekaden praktiziert. Zwar gibt es dort Ampeln und Schilder – nur interessiert sich niemand dafür.

  • Beweis durch Desinformation

    Wikipedia ist völliger Quatsch. Zumindest hat die „Süddeutsche Zeitung“ sich vorgenommen, diese These zu untermauern, indem sie selbst Quatsch in die freie Online-Enzyklopädie hineinschreiben ließ. Die Mehrzahl, nämlich 12 von 17 der von der SZ mit Falschinformationen versehenen Wikipedia-Beiträge war längst korrigiert als der SZ-Artikel erschien, der beweisen sollte, daß dort jeder etwas hineinschreiben kann ohne daß zuvor jemand dessen Richtigkeit prüft.

    Der Beweis ist gelungen. Man kann in der Tat jeden Unsinn in die Wikipedia schreiben. Niemand prüft das vorher. Das ist genau der Sinn des Projekts. Wird die „Süddeutsche“ uns demnächst zu verblüffen suchen, indem sie den Beweis antritt, daß es von oben nach unten regnet?
    Die Prüfung von Wikipediaeinträgen erfolgt erst in der Anwendung. Dann aber dafür von Tausenden, statt von einem Redakteur, der ein bis zwei Fachleute kennt, die er dazu befragen kann falls er es für notwendig erachtet. Das scheint ganz gut zu klappen, wie der Artikel zeigt, der das Gegenteil zeigen sollte.

  • Todesstrafe für alles

    Sucht man über eine bekannte Suchmaschine im Internet nach „härtere Strafen“ (mit Anführungszeichen), stößt man auf etwa 94.000 Fundstellen. Auf der ersten Seite der Suchergebnisse ist von folgenden Delikten die Rede:

    Das ist keine Rangfolge, sondern nur eine Momentaufnahme ohne statistische Bedeutung. Daß gleich zweimal die Forderung nach härteren Strafen für Verstöße gegen den § 166 des deutschen Strafgesetzbuches „Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“ auftauchen ist Zufall.

    Kein Zufall kann es dagegen sein, daß der Ausdruck „härtere Strafen“ knapp hunderttausendfach auf deutschsprachigen Internetseiten genannt wird. Offensichtlich verlangen alle möglichen Leute regelmäßig für alle möglichen Gesetzesverstöße härtere Strafen.

    Ein einleuchtender Grund dafür ist, man möchte vermeiden, daß Handlungen die bereits verboten sind, dennoch ausgeführt werden. Ein anderer ist das Bedürfnis nach Rache. Der Wunsch nach Vergeltung ist allerdings eine dem Menschen immanente Gefühlsregung, die sich als solche nicht als Grundlage für ein allgemeines Gesetz eignet.

    Es stellt sich die Frage, ob ein höheres Strafmaß Einfluß auf das Verhalten der Menschen hat, die gegen geltendes Recht verstoßen. Um das zu beurteilen kann man sich gedanklich in die Situation eines Täters versetzen:

    Ein Mord muß mit dem Vorsatz erfolgen, einen Menschen vom Leben zum Tode zu befördern. Der Vorsatz erfordert also Planung. Natürlich will der Täter sich einen Vorteil davon verschaffen, den er in der Regel nur dann genießen kann, wenn er unerkannt bleibt. Der Plan für sein Vorgehen wird also davon ausgehen, daß er nicht zu Verantwortung gezogen wird. Welche Rolle mag es für ihn spielen, ob Mord mit 10 oder 20 Jahren Haft bestraft wird?

    Welche Überlegungen mag ein Sexualtriebtäter anstellen, ehe er ein kleines Mädchen mißbraucht? Vermutlich gar keine. Danach mag er sich beispielsweise denken, „wenn dieses kleine Luder auspackt bin ich geliefert“. Ob hier drakonische Strafen Gutes bewirken?

    Besonders groß können die geschäftlichen Aussichten eines Lebensmittelgroßhandels kaum sein, verdorbende Ware zu veräußern. Sind unsere Nasen bereits so sehr degeneriert, daß wir schärfere Gesetze benötigen, um genießbares Essen von ungenießbarem zu unterscheiden?
    Praktisch jede der eingangs genannten Forderungen nach „härteren Strafen“, läßt sich mit wenigen Worten ad absurdum führen. Stellen Sie sich vor, man würde in letzter Konsequenz jedes Vergehen mit der Todesstrafe belegen. Wäre die Welt dann besser?

  • NPD: Insolvenz statt Verbot

    Das allgemein erwünschte Verbot der NPD gilt als schwer durchzusetzen. Allerdings mutmaßt „Spiegel Online“, die Nazipartei könnte demnächst in finanzielle Not geraten:

    Denn der Partei stehen harte Zeiten bevor. Gerade erst flatterte der NPD eine Forderung von 863.000 Euro auf den Tisch. Wegen illegal verbuchter Parteispenden im Landesverband Thüringen will der Bund sämtliche staatlichen Zuschüsse aus den Jahren 1998 und 1999 zurück. Der Partei droht der finanzielle Kollaps.

    Eine hübscher Vorstellung. Leider ist sie wohl reines Wunschdenken. Eine Zahlungsverpflichtung in dieser Höhe ist bestimmt ein handfestes Ärgernis, aber sicher keine ernstafte Bedrohung. Allein Jürgen Rieger dürfte ohne weiteres in der Lage sein, diese Summe zu erübrigen.