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  • Mehr Konsequenz bei Todesstrafe

    Es werden in den USA wesentlich mehr Schwarze hingerichtet als Weiße. Mit der Ablehnung des Gnadengesuchs, den 75-jährigen Clarence Ray Allen hat Arnold Schwarzenegger einen wichtigen Schritt für die Gleichberechtigung der Schwarzen in Amerika geleistet. Denn der Verurteilte ist weiß.

    Dennoch ist die Anwendung der Todesstrafe in Kalifornien nicht konsequent genug. Ein vom Fellow Passenger beauftragtes Expertengremium hat erstaunliches herausgefunden:

    Wer einen Menschen vorsätzlich tötet begeht einen Mord. Wenn das Gesetz wie in Kalifornien dafür die Todesstrafe vorschreibt und ein Gericht dies anordnet wird vorsätzlich ein Mensch getötet. Das bedeutet, der Henker (vulgo: Mörder) muß von einem Gericht zum Tode verurteilt und hingerichtet werden. Ferner steht in Kalifornien auf Anstiftung zum Mord ebenfalls die Todesstrafe. Also müssen Richter, Staatsanwalt und Geschworene ebenfalls vor Gericht gestellt, zum Tod verurteilt und hingerichtet werden.

    Würde diese Logik konsequent angewendet, so der Bericht weiter, gäbe es in Kalifornien bald überhaupt keine Kriminalität mehr. Wo niemand ist, stellt eben auch keiner was an.

  • Bis einer weint

    Wenn sich jemand über die von ihm mit ausgdeachte umstrittene Imagekampagne „Du bist Deutschland“ lustig macht, findet er das gar nicht lustig, der Herr von Matt. Da fängt er an zu kratzen, zu beißen, zu toben und mit dem Fuß auf den Boden zu stampfen. Von der Kanzlei Unverzagt, von Have lässt er schwer nachvollziehbare Abmahnungen verschicken und schreibt weinerliche Rundmails. Davon ist nun eine in die Öffentlichkeit geflutscht:

    Meine Mutter hat mir beigebracht, dass man sich für ein Geschenk bedankt, selbst wenn man damit nichts anfangen kann. Wie Recht sie hatte, ist mir gerade wieder klar geworden.

    Vor zwei Wochen startete „Du bist Deutschland“, die größte gemeinnützige Kampagne aller Zeiten und ein riesiges Geschenk.

    Die großen Verlage haben Zeit und Raum im Wert von 35 Millionen Euro geschenkt. 30 Promis der ersten Liga haben Zeit und ihr Gesicht geschenkt. Wir und kempertrautmann haben Zeit und Herzblut geschenkt.

    Das Ziel: Die Miesepetrigkeit bekämpfen.

    Der Dank: Miesepetrigkeit. Glücklicherweise nur von den Gruppen, von denen man nichts besseres erwarten konnte:

    1. Von den Werbekollegen, die sich in den Branchenblättern eifrig zu Wort meldeten. Viele von ihnen finden die Kampagne nutzlos, „weil Werbung doch nicht das gegeignete Mittel sein kann, eine Nation wirtschaftlich wieder nach vorn zu bringen“. Nicht gut, wenn unsere Branche selber nicht mehr an die Kraft von Kommunikation glaubt.
    2. Von den Weblogs, den Klowänden des Internets. (Was berechtigt eigentlich jeden Computerbesitzer, ungefragt seine Meinung abzusondern? Und die meisten Blogger sondern einfach nur ab. Dieser neue Tiefststand der Meinungsbildung wird deutlich, wenn man unter www.technorati.com eingibt: Du bist Deutschland.)
    3. Von den intellektuellen Journalisten von FAZ bis TAZ, die ihre Meinung zwar insofern gefragt absondern als sie eine nachweisbare Leserschaft haben, aber: „Den Höhepunkt an Zynismus gewinnt die Kampagne aber in dem Fernsehspot, der Schwule und Behinderte auf dem Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals versammelt“ (Die Zeit).

    Blöd, wenn man soviel Kopf hat, dass einem jedes Bauchgefühl verloren gegangen ist.

    Übrigens: Sebastian Turner findet die Kampagne einfach nur falsch.

    Falsch, was ist das? Auch nach dem 50. Mal gucken, bin ich von dem TV-Spot immer noch berührt bis ergriffen – obwohl ich nicht einmal Deutschland bin.

    Kann das falsch sein?
    Euer Jean-Remy

    So cool und dynamisch locker sind sie also, die tollen Macher der DBDDHKP-Kampagne.

    [via Jens Scholz]

  • Abschiebeminister vor dem Aus: Bayern-Barde stellt Beckstein bloß!

    Der Reagge-Sänger Hans Söllner aus Bad Reichenhall wird erneut wegen seiner Texte von der bayerischen Justiz verfolgt. Doch diesmal könnte der Schuß des bayerischen Innenministers Beckstein nach hinten losgehen.

    Klagen wegen Beleidigung sind Herrn Söllner nicht fremd. Schon häufiger stand der bekennende Kiffer deshalb vor Gericht. Diesmal aber ist der Verlauf ein anderer. Nachdem der Fall nun zum vierten Mal verhandelt wird, geht es nicht mehr um Redefreiheit, sondern darum, ob es stimmt was Söllner äußerte. Ob Beckstein also tatsächlich den „Hass von Millionen“ geschürt hat und dazu den Fall „Mehmet“ konstruiert hat, um ein ausländerfeindliches Klima zu schüren, ist nunmehr Gegenstand der Verhandlung.

    Wenn Richterin Jutta Zeilinger Hans Söllner in der heutigen Urteilsverkündung Recht geben wird, könnte das ernste Konsequenzen für Beckstein nach sich ziehen. Immerhin wäre seine verfassungsferne und enorm ausländerfeindliche Einstellung dadurch aktenkundig. Man darf gespannt sein, wie das Urteil ausfällt.

  • Online Intelligence

    Das Leben eines Geheimagenten stellt man sich spannend vor. Gefährlich, manchmal verrucht. Man kennt das ja von James Bond, dem Mann mit der Lizenz zum Töten.

    Was macht ein Spion wenn er gerade nicht den Besitzern von weißen Angorakatzen auf den Fersen ist? Er zeigt auf seiner Homepage Fotos von seinem neuen Haus in Canberra, wo er neuerdings arbeiten darf, weil er den Amerikanern so tüchtig beim Krieg gegen den Irak geholfen hat. So macht es zumindest der BND-Agent Reiner M. über dessen Aktivitäten diese Woche der SPIEGEL schrieb.

    Blöd ist, daß das jetzt alles nicht mehr so geheim ist, wie es sich in diesen Kreisen geziemt. Der SPIEGEL hat ja auch geschrieben, daß er nun als „First Secretary“ an der deutschen Botschaft in Canberra arbeitet. Da gibt es zwar seltsamerweise zwei „First Secretarys“, aber nur einen, der Reiner M. heißt, seine Gemahlin Carola M. ist dort ebenfalls aufgeführt. Eine Google-Suche nach „Reiner Carola Canberra Mahlstedt“, fördert dann auch gleich ganz oben zwei Homepages zutage, die allerdings vom Netz genommen wurden. Weil das Internet aber ein gutes Gedächtnis hat, kann man die natürlich noch immer ansehen, zum Beispiel hier oder da bei archive.org.

    Es stellt sich die Frage, ob man sich heute noch teure Geheimdienste leisten muß, wenn man doch ohnehin alles im Internet finden kann.

  • Wetten dass?

    Wie bereits versprochen, setzt sich die Redaktion des Fellow Passenger für die Rettung von „Wetten dass?“ ein. Wir haben daher den Intendanten des Zweiten Deutschen Fernsehens persönlich kontaktiert:

    Sehr geehrter Herr Schächter,

    da das überaus traditionsreiche Format „Wetten dass?“ künftig nicht mehr durch Herrn Gottschalk moderiert werden kann, gehe ich davon aus, daß Sie neue Wege beschreiten werden, um den prominenten Sendeplatz auszufüllen.

    Gewiß ist das bisherige Konzept nicht mehr ganz zeitgemäß. Die Wetten müssen dringend mehr Bezug zu aktuellen Themen, wie Terrorismus oder Folter, Mißbrauch von Sozialleistungen und vor allem mehr „Action“ bieten.

    „Wetten, daß es Harz-IV-Empfänger Schmidt gelingt ein Space Shuttle zu kapern und in die Glaskuppel des Reichstags zu steuern, ohne daß die Verbindungsdaten seines Mobiltelefons dabei registriert werden?“ Das ist es was die Zuschauer sehen wollen. Idealer Wettpate wäre natürlich Osama bin Laden, der aber nur schwer zu erreichen ist. Alternativ würde sich George Walker Busch eignen. Auch Herr Rumsfeld, Frau Rice oder ein anderer amerikanischer Entertainment-Profi, kämen in Betracht.

    Natürlich ist das Format nur zu retten, wenn sich ein hervorragender Moderator findet, der jederzeit souverän mit den Studiogästen umzugehen versteht und die Zuschauer begeistern kann, selbst wenn sie mit unverzeihlich üblen Musikeinlagen irritiert werden. Das klingt nahezu unmöglich, ist es aber nicht, denn MC Winkl persönlich hat sich bereit erklärt das überkommene Format „Wetten dass?“, zu moderieren, ein Mann der das Zeug hat dieser moribunden Sendung neues Leben zu verleihen.

    Sie erreichen Herrn Winkel über seine Internet-Seite http://www.mc4wettendass.de oder per E-Maiĺ unter mc ät mc4wettendass punkt de*.

    Ich setze voraus, daß Sie mir die Konzeption der Sendung übertragen werden, weshalb ich zunächst unter Vorbehalt auf eine Vermittlungsprovision verzichte.

    Bitte teilen Sie mir mit, wann Sie mich zur Verhandlung meines Honorars aufsuchen möchten, damit ich mein Hauspersonal rechtzeitig anweisen kann, entsprechende Vorbereitungen zu treffen.

    Mit vorzüglicher Hochachtung

    The Fellow Passenger

    * E-Mail-Adresse für Spam-Bots unkenntlich gemacht, d. Red.

  • Fönen im Film

    Über die erstaunlichen Gewohnheiten amerikanischer Frauen beim Duschen im Film haben wir bereits berichtet. Bei österreichischen Filmfrauen wurde nun eine neue Eigenart entdeckt. Sie pflegen zumindest in ihren italienischen Ferienhäusern den Fön im Wohnzimmer aufzubewahren und in der Küche zu gebrauchen. Zumindest in dem Fall, wenn sie ein Mobiltelefon trocknen möchten, das ein ungebetener Gast zuvor im Spühlwasser versenkt hat.

    Frau fönt in der Küche ihr Mobiltelefon

    Man mag der Dame nachsehen, daß sie sich nicht klar macht, daß sie das dringende Telefonat einfacher mit dem Telefon des Nachbarn führen könnte. Sie ist an diesem Punkt der Geschichte heillos überfordert, weil der ungebetene Gast und sein Begleiter ihrer Familie übel mitgespielt haben. Mit einem Golfschläger haben Sie den Hund erschlagen und das Bein des Gatten gebrochen. Zudem liegt im Wohnzimmer die blutüberströmte Leiche des mit einer Schrotflinte erschossenen Sohnes.

    Die Entscheidung, den Fön im Wohnzimmer aufzubewahren ist aber offensichtlich schon vor dem Beginn der grausigen Entwicklungen getroffen worden und darf daher als gewohnheitsmäßig gelten. Da es sich um eine gut situierte Familie handelt ist allerdings nicht auszuschließen, daß es sich um einen Dritt- oder sogar Viertfön handelt. Weder die österreichische Behausung, noch das Badezimmer des Ferienhauses werden im Film gezeigt.

    Es geht aus der Handlung aber klar hervor, daß die Fönmethode nur unzureichend geeignet ist, die Funktionstüchtigkeit eines transportablen Fernmeldeapparats wieder herzustellen. Wer sich in Lebensgefahr befindet, versucht besser etwas anderes. Lassen Sie ihren Fön also ruhig im Badezimmer.

  • Datenvorräte aufstocken

    Wer kennt das nicht. Hungrig schaut man in den Datenkühlschrank und stellt fest, daß nichts gescheites im Hause ist. Natürlich ist es wieder einmal außerhalb der landesüblichen Datengeschäftszeiten und man hat die Wahl entweder mittelmäßiges bei Call-A-Data zu bestellen oder gleich auswärts zu datieren.

    Doch das muß nicht sein, denn viele Daten kann man auch auf Vorrat speichern. Verbindungsdaten zum Beispiel sind zwischen 6 und 24 Monaten haltbar. Wenn Sie es geschickt anstellen, brauchen Sie für Ihren Datenvorrat nicht einmal eine eigene Datengefriertruhe. Zwingen Sie einfach Ihre Datenlieferanten Ihre Lieblingsdaten für Sie aufzubewahren.

    Auch wenn Sie zunächst nur an deftigen Kalorienbomben interessiert sind, kann es ja auch mal eine willkommene Abwechslung sein, Bewegungsdaten Ihres Nachbarn zu goutieren, der sein Harz-IV-Einerlei au beurre noir zubereitet. Denken Sie nur an den herrlichen Genuß, ein Datenstrafgericht mit einer heimlichen Liebschaft als Zeugen zu würzen. Selbst wenn der Delinquent durch falsche Vorwürfe nicht weich wird, bleibt ein hübsches Familien-Haché.

    Auch wenn mancherorts rückständige Moralaposteln Kritik über den Preis solcher Delikatessen äußern, müssen Sie auf den Genuß nicht Verzichten. Die Europäische Union weiß was Ihnen schmeckt — Besser als Sie selbst.

  • Fellow Passenger ermittelt

    Schon im frühen Kindesalter wurde mir zwangsweise die Erkenntnis zuteil, daß die Geburtstagsfeier eines freundlichen Hippies keinesfalls entspannt oder gar in euphorischer Stimmung begangen werden darf, wenn sein gewaltsames Ableben schon bald zwei Jahrtausende zurückliegt.

    Anfänglich fand ich ein Ereignis bei dem ich reich beschenkt werden sollte, überaus reizvoll. Da war ich gerne bereit mich entsprechend sorgfältig vorzubereiten. Der Ablauf war mir soweit bekannt, daß jenes Ritual mit dem Klang einer feinen Glocke eingeleitet wurde, und daß die Präsente üblicherweise in einer vergleichsweise benutzerunfreundlichen, weil schwer zu öffnenden Verpackung vorzufinden sind. Es erschien mir daher sinnvoll, mich rechtzeitig mit einer Schere auszurüsten, die ich neben der Tür meines Kinderzimmers griffbereit deponierte.

    Obwohl ich mich in der elterlichen Wohnung üblicherweise frei bewegen durfte, war mir der Zutritt zum Wohnzimmer an diesem besonderen Dezembertag bis zum lieblichen Klang des Glöckchens untersagt, weil die Vorbereitungen der Zeremonie unter strengster Geheimhaltung erfolgen sollten. Insbesondere das Inkognito des edlen Spenders, eines Herrn Weihnachtsmanns sollte unbedingt gewahrt bleiben, zumal dieser angeblich mit einem Christkind kollaborierte, dem zu begegnen allein meinen Eltern vorbehalten bleiben sollte. Das kam mir seltsam vor, weil die Kinder die ich aus dem Kindergarten kannte sonst alle gerne mit mir gespielt haben und Erwachsene eigentlich eher doof fanden. Dieses Christkind aber schien nichts von mir wissen zu wollen und gab sich lieber mit den Erwachsenen ab. Hier bestand dringender Bedarf an einer verdeckten Ermittlung, dachte ich, und wagte mich verbotswidrig aus meinem Zimmer heraus, um an der Wohnzimmertür einen kleinen Lauschangriff durchzuführen.

    Zu meiner Überraschung hörte ich nur die Stimmen meiner Eltern. Die beiden Geheimagenten Christkind und Weihnachtsmann beherrschten ihr Handwerk offenbar perfekt. Ergebnislos bezog ich erneut Stellung im Kinderzimmer und harrte gespannt des erlösenden Glockensignals. Meine Tür ließ ich vorsichtshalber geöffnet und legte meine rechte Hand locker auf die vorbereitete Schere.

    Als ich vor Spannung und Neugierde bereits zu platzen drohte, ertönte endlich das lange erwartete Klingeln. Das verabredete Signal für den Beginn der Zeremonie die mich mit Geschenken überraschen sollte. In Sekundenbruchteilen schloß sich meine kleine Faust um die Schere und ich rannte so schnell ich irgend konnte den Gang entlang und durch die inzwischen geöffnete Wohnzimmertür. Auf der Geraden zur reich geschmückten Tanne aktivierte ich meine letzten Reserven und ließ mich, mit der geöffneten Schere im Anschlag, eineinhalb Meter vor dem ersten Geschenkpaket auf die Knie fallen, was akkurat dem erforderlichen Bremsweg entsprach und mir die Möglichkeit gab, die Schere aus der Bewegung heraus exakt am schwächsten Punkt der Verpackung anzusetzen.

    Statt mich für diese akrobatische Höchstleistung zu loben, haben meine Eltern mir mit entsetztem Gesichtsausdruck Einhalt geboten und mich scharf kritisiert. Den abgehackten Nadelbaum hätte ich langwierig bestaunen und ausführlich preisen sollen. Eine frohe Weihnacht hätte ich zu wünschen gehabt, ehe ich mich den Gaben gemessenen Schrittes hätte nähern dürfen. Die Schere hätte ich allenfalls bei schwerwiegenden Komplikationen nachträglich anfordern, auf keinen Fall aber von Anfang an selbst mitführen dürfen.

    Mit vier Jahren war ich bedauerlicherweise rhetorisch unterlegen. Sonst hätte ich darauf hingewiesen, daß man mir den geplanten Ablauf des Rituals vorher hätte erklären müssen, wenn man von mir bestimmte Verhaltensweisen erwartet. Statt dessen empfand ich Reue und nahm mir vor mich zu bessern. Wie ich meine Begeisterung den Agenten Weihnachstmann und Christkind mitteilen soll, die daran wenig genug interessiert sind, daß sie sich kurz zuvor aus dem Staub machen, blieb mir unverständlich.

    Zu viele Ungereimtheiten standen den schwerwiegenden Vorwürfen gegenüber. Es blieb also keine Wahl, als weitere Ermittlungen anzustrengen. Sie sollten sich über zwei Jahre hinziehen, weil meine Eltern als Zeugen über jeden Zweifel erhaben waren. Sie selbst hatten mir ja eingeschärft, daß Menschen stets wahrheitsgemäß Auskunft geben müssen, weil man ihnen sonst niemals mehr glauben könnte. Das erschien mir erstaunlich logisch.

    Zunächst unternahm ich im nächsten Jahr den Versuch, den Nikolaus auszutricksen, indem ich statt einem meiner Stiefel der Größe 36, einen meines Vaters der Größe 46 vor der Türe deponierte. Diese Stiefel reichten mir damals bis zum Schritt. Darauf ist der Nikolaus voll hereingefallen, obwohl er mir einmal persönlich begegnet war und furchterregend gut über mich informiert zu sein schien. Deshalb war mir bei diesem Täuschungsmanöver etwas mulmig zumute. Aber gelogen hatte ich ja nicht. Immerhin bin ich in den riesigen kretischen Bauernstiefeln mehrmals durch die ganze Wohnung gestapft, weil ich hoffte es könne sich dabei um die Siebenmeilenstiefel handeln, von denen ich schon so viel gehört hatte. Nachdem ich alle mir erdenklichen Zauberworte ausgesprochen hatte und das schwere Schuhwerk sich meinen kleinen Füßen noch immer nicht anpassen wollte und nicht einmal ansatzweise Riesenschritte ermöglichte, legte ich mich rechtschaffen Müde zu Bett. Die Forschung war beileibe mühsam genug. Wenn ich mich erfolglos mit zehn Nummern zu großen Stiefeln plage, kann der Nikolaus gefälligst auch mal etwas großzügiger sein, dachte ich, und hatte recht. Der Stiefel war am nächsten Morgen mehr als voll.

    Am nächsten Weihnachtsabend näherte ich mich den Gaben pflichtgemäß gemessenen Schrittes und lobte ausdrücklich die gelungene Gestaltung der wie üblich dekorierten Konifere. Diesmal wußte ich, daß die darunter befindlichen Gaben nur erhältlich sind, wenn ich im Gegenzug die gewünschten Dressurvorgaben erreiche. „Ah! Oh, wie schön“, bemühte ich mich möglichst begeistert hervorzubringen. Da kein Hinweis folgte, daß ich mich daran machen sollte die Geschenke zu entpacken, setzte ich geistesgegenwärtig ein „Fröhliche Weihnachten, Mama und Papa“, hinzu. Und tatsächlich wurde mir schließlich beschieden, mich den Gaben der geheimnisvollen Spender widmen zu dürfen. Weil meine Teilname an diesem Ritual ordnungsgemäß verlaufen war, folgte keine Kritik. Es wurde allerdings mit spürbarem Hohn auf meine Entgleisung vom Vorjahr hingewiesen.

    Am darauffolgenden Nikolaustag, knapp ein Jahr später, keimte ein schrecklicher Verdacht in mir auf. Warum werden massenhaft Schokoladennikoläuse gegen Geld in Supermärkten angeboten? Wenn der Nikolaus die Dinger aus reiner Güte allen Kindern in die Stiefel steckt, würde die doch niemand kaufen. Mit tiefem Argwohn fragte ich meine Mutter nach einer Erklärung, die mir sagte, der Nikolaus würde die entsprechenden Waren, eben im Supermarkt beziehen. Im gleichen Augenblick bemerkte ich, wie sich die Kontur eines Schokoladennikolauses im inneren ihrer Einkaufstüte abzeichnete.

  • Süd-Nord-Gefälle bei Christkindelmäkten

    Während der geschätzte Kollege Herr Burnster im vorweihnachtlichen Berlin mit Humus und Schwamm, was nicht besonders nahrhaft klingt, darben muß, wird der Münchner Christkindelmarktbesucher an der Münchner Freiheit mit „Heißem Bischof“ und „Sizilianischer Bratwurst“ bei Laune gehalten.

    Freilich ist die Wurst in Wahrheit von fränkischer oder thüringer Herkunft, besticht aber durch hohe Qualität und vorzügliches Aroma. Zudem ist sie mit Kräutersenf nappiert, dessen Gewürzkomposition ihr zumindest den Nimbus des Sizilianischen verleiht.

    Der heiße Bischof ist ein „Glühwein der Extraklasse“, wie der Anbieter ohne Bescheidenheit wirbt, der Wahrheit aber damit durchaus nahe kommt. Von Geschmack und Rauschwirkung abgesehen bereitet aber natürlich der Name besondere Freude. Ein geistiges Getränk, das an einen Geistlichen erinnert, der erregt seinen Ministranten nachstellt, erzeugt ein gerüttelt Maß an vorweihnachtlichem Frohsinn.

  • Neues Fenster

    Mehrere Fenster auf einem Bildschirm sind eine tollle Sache. Das muß ich jetzt mal ganz ausdrücklich loben. Als Blogger muß man sich ja immer bemühen auch mal etwas gut zu finden, damit man in der finsteren Ecke der Destruktivität von Herrn Trautmanns Du-bist-Deutschland-Keller nicht vermodert.

    Wenn man regelmäßig Internet statt Fernsehen schaut, lernt man schnell, wie man zwischen verschiedenen Seiten umschalten kann. Wenn man auf einer Seite einen Hinweis auf eine andere entdeckt muß man nur einmal draufdrücken und schon kann man dort weiterlesen. Anders als beim Fernsehen wechselt dann nicht einfach nur das Programm, sondern es taucht ganz oft gleich ein zusätzliches Fenster dafür auf. Das ist so, als würde sich beim Betätigen der Fernbedienung sogleich ein weiteres Fernsehgerät im Wohnzimmer manifestieren. Von Elvis Presley einmal abgesehen, möchte doch aber niemand mehrere Sendungen gleichzeitig verfolgen. Davon wird man nur dick und medikamentenabhängig. Gelegentlich möchte ich tatsächlich Sachen in einem eigenen Fenster betrachten, etwa um im einen etwas über den Inhalt des anderen zu schreiben. Das kann ich ganz leicht erreichen, indem ich zusätzlich eine weitere Taste drücke.

    Offenbar halten viele Internetseitenverfasser ihre Ausführungen für derart langweilig, daß sie anehmen, man würde sie unverzüglich vergessen, sobald man einem ihrer Hinweise folgt. Warum sonst sollten sie einen zwingen die empfohlene Seite in einem zusätzlichen Fenster zu lesen? Diese Aufdringlichkeit ist ungefähr so angenehm wie die Offerte eines Drückerkollonenmitglieds eine Rätselzeitschrift zu abonieren, der behauptet nur dadurch von seiner Medikamentenabhängigkeit loszukommen.

    Ganz im Sinne von den Herren Kemper, Jung von Matt, Traut- und Bertelsmann und den anderen Sozialvermarktern, möchte ich rufen: Du bist das Internet. Öffne und schließe Deine eigenen Fenster und lasse die Deiner Leser in Frieden.