Autor: gustavf

  • So wollten Sie es doch auch

    Sie wollten doch die maroden Banken saniert haben! Nur Ihretwegen wurde der defizitäre Blechfetischfabrikant Opel zumindest bis zum Wahltermin „gerettet“.

    Es ist doch klar, daß im Gegenzug die Mehrwertsteuer für alles Lebensnotwenige von 7 auf 18 Prozent „gesenkt“ werden muß. Natürlich bedeutet das gewisse Rückschläge auf die Binnenwirtschaft, aber das haben Sie ja selbst so gewollt.

    Nicht? Echt jetzt? Oh! Naja. Da ist wohl die letzte Regierung schuld. Da können wir jetzt auch nichts mehr machen. Ach wir waren das selber? Na, dann wird es schon passen. Sonst hätten Sie uns ja nicht schon wieder gewählt, gell? Dann sagen wir zur Güte 25 Prozent. Damit können alle leben. Zum Ausgleich zahlen wir den Hartz-IV-Pennern einfach weniger Miete. Die brauchen Obdachlose ja sowieso nicht.

    Vielen Dank für Ihr Interesse an gelebter Demokratie! Über die ganzen Sachen reden wir dann 2013 oder so. Wir müssen jetzt mal weg, Geld verdienen, beziehungsweise regieren. Die Bahn privatisieren, die vier großen Energiekonzerne fusionieren, hie und da mit der Bundeswehr etwas Freiheit verteidigen. Regierungsgeschäfte eben. Sie wissen schon.

  • Vor der Wahl ist nach der Wahl

    Die „Welt“ textet, „Killerspiele … sollen verboten werden, möglichst noch vor der Bundestagswahl – mit ausdrücklichem Bezug auf den Amoklauf von Winnenden“ [1]Ulrich Clauss, „Politiker nutzen Killerspiele als Waffe im Wahlkampf“, Welt-Online, 05.06.2009. Über die Petition gegen Internetsperren soll hingegen auf jeden Fall erst nach der Bundestagswahl befunden werden.

    Das eine gesalzene Erhöhung der Merhwertsteuer oder die Abschaffung der Sozialversicherungen erst nach der Wahl beschlossen wird, mag einem ja noch einleuchten. Nur welche Rolle mag es spielen, wann ein Verbot von Ballerspielen erfolgt, oder ob Seehofers Forderung nach Steuersenkungen [2]ddp/roy, „Seehofer fordert Steuersenkung noch vor der Bundestagswahl“, News-Adhoc, 22.11.2009 noch vor der Wahl erfüllt wird?

    Offenbar halluzinieren außerirdischen Regenten sich eine Art Stunde Null herbei, die durch die Wahl wie von Geisterhand eintreten soll. Dabei wird sich vermutlich nicht einmal das Personal ändern, geschweigedenn die Politik.

    References
    1 Ulrich Clauss, „Politiker nutzen Killerspiele als Waffe im Wahlkampf“, Welt-Online, 05.06.2009
    2 ddp/roy, „Seehofer fordert Steuersenkung noch vor der Bundestagswahl“, News-Adhoc, 22.11.2009
  • 60 Jahre einfach Schwein gehabt

    Das Deutsche Volk mag ja am 23.05.1949 von allem möglichen beseelt gewesen sein. Etwa von Gedanken darüber, wo man Zigarretten herbekommen könnte, um sie gegen Lebensmittelmarken einzutauschen. Sich selbst ein Grundgesetz zu geben, gehörte ganz sicher nicht dazu, auch wenn es das Vorwort — das bei einem Gesetz prätentiös Präambel genannt wird — so behauptet:

    Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben. [1]Erster Satz der Präambel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland

    Tatsächlich haben die Regenten dem Volk bis heute vorenthalten, sich selbst eine Verfassung zu geben, obwohl dies Ausdrücklich im Artikel 146 GG verlangt wird, falls die Wiedervereinigung zustande kommt. Die Mauer fiel, die Vereinigung kam, die Treuhand hat die neuen Bundesländer abgewickelt und das Geld eingesteckt. Eine freie Entscheidung des deutschen Volks über eine Verfassung kam in 19 Jahren nicht.

    Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist. [2]Artikel 146 GG

    Das Volk hatte da noch nie mitzureden. Was in den Jahren 48 bis 49 geschah, war nicht mehr, als daß einige ausgesuchte Beamte von den Allierten genötigt wurden, übergangsweise ein Grundgesetz zu formulieren, was diese dann taten, indem sie die Verfassung der Weimarer Republik abschrieben und um die gröbsten Schnitzer bereinigten. Diesem Ursprung mag geschuldet sein, daß sich das Grundgesetz zumindest ganz vernünftig ließt.

    In der DDR geschah vergleichbares und führte zu einem vergleichbaren Ergebnis. Das Grundgesetz der DDR [3]Das Grundgesezt und die Verfassung der DDR sicherte seinen Bürgern zu, daß alle Staatsgewalt von ihnen ausginge. Auch ein Recht auf Arbeit war darin Bestandteil. Der praktische Nutzen dieses Gesetzes offenbarte sich am 17. Juni 1953, als Arbeiter dieses Recht in Anspruch nehmen wollten. 20.000 sovjetische Soldaten rückten mit Panzern an und beschossen die Demonstranten.

    Bürgerrechte in Grundgesetzen sind nur solange etwas wert, wie allgemeiner Wohlstand herrscht. Werden die Zeiten rauher, verlieren sie schnell an Bedeutung. Dennoch entblödet sich Frank Müntefering nicht, zu fordern, das Volk solle sich mehr an der Demokratie beteiligen. Nur wie er sich das vorstellt, lässt er freilich offen. Die Petition gegen Internetsperren [4]Die Petition kann noch bis 16.06.09 Mitgezeichnet werden haben zwar mehr Bürger unterschrieben, als je eine andere in der deutschen Nachkriegsgeschichte, aber ein Aufhorchen der Politiker ist nicht zu bemerken.

    In von Pathos nur so triefenden Elogen wird das Grundgesetz als die Ursache gefeiert, daß in Deutschland seit seinem Bestehen Frieden herrsch. Als wäre das nicht dem Umstand zu verdanken, daß der Kalte Krieg, und die Atomwaffen nie in der Lage gewesen wären, einen Krieg zu gewinnen. Das war selbst den Psychopathen aus Washington und Moskau klar. Das militärische Muskelspiel folgte der einfachen Regel, Aufrüsten bis einer der Mitspieler bankrott ist.

    Ganz so friedlich ist Deutschland ja auch gar nicht. Immerhin führt es engegen dem Willen seiner Bürger Kriege. Sei es der Kosovo-Konfikt oder die vermeintliche Terroristenhatz in Afghanistan; in keinem Fall ging es um die Verteidigung des eigenen Landes oder wenigstens dessen eines NATO-Bündnispartners.

    Es ist leicht zu verstehen, warum das Grundgesetz bei den Systemparteien so beliebt ist, sichert es ihnen doch die bequeme Stellung, daß die Wähler ihnen nicht ans Zeug flicken können. Wo es dennoch im Weg steht, können Sie es gefahrlos ignorieren, denn strafbewehrt sind solche Verstöße ja nicht.

    Allein das Bundesamt für Verfassungsschutz könnte hier einschreiten, wenn etwa ein Innenminister Passagierflugzeuge abschießen lassen, die Streitkräfte auf die Bevölkerung loslassen und das BKA mit Befugnissen ausstatten will, wie sie die Staatssicherheit der DDR hatte. Da besteht diese Aufgabe des Verfassungsschutzes eben nur aus dem Papier auf dem die „Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden“ geschrieben stehen [5]§3 BVerfSchG. In der Praxis bleibt dafür zu wenig Arbeitszeit. Schließlich hat der Verfassungsschutz genug zu tun, der NPD über seine V-Leute üppige Finanzhilfen zukommen zu lassen und Leute zu jagen, die Autos in Brand stecken, als hätten die Länder keine Dezernate für Brandstiftung.

    Schwieriger zu verstehen ist, warum die Bürger vom Grundgesetz so überzeugt sind. Hat es die Unverletzlichkeit der Wohnung geschützt, als die Staatsanwaltschaften und die Polizei die Erlaubnis wollten, uns nächtens in unseren Wohnungen zu überfallen? Hat es uns davor geschützt, am Telefon abgehört zu werden? Hat es die Mobilfunkbranche davor bewahrt, in das zunächst abhörsichere System nachträglich teure Abhöhrschnittstellen einbauen zu müssen? Was bot das Grundgesetz neues an Sozialverpflichtungen, das nicht schon in der Weimarer Verfassung verankert war?

    Die Anwort ist so simpel wie erschreckend: Das Grundgesetz hat unsere Rechte nicht geschützt. Das Grundgesetz ist nur ein Stück Papier. Bürger die Rechte wollen, müssen selbst dafür kämpfen. Immer wieder und in Krisenzeiten um so härter. Denn die Regierung wird sich damit nicht die Hände schmutzig machen — auch dann nicht, wenn sie zuvor in der Opposition gewohnheitsmäßig das Gegenteil behauptet hat.

    „Happy Birthday, Schweinesystem!“ [6]Titanic-Titel, Nr. 5, Mai 2009

    References
    1 Erster Satz der Präambel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland
    2 Artikel 146 GG
    3 Das Grundgesezt und die Verfassung der DDR
    4 Die Petition kann noch bis 16.06.09 Mitgezeichnet werden
    5 §3 BVerfSchG
    6 Titanic-Titel, Nr. 5, Mai 2009
  • Du bist Schmeißfliege

    Die renommierte Werbeagentur KemperTrautmann, allerdings in Vergessenheit geraten für eine Imagekampagne, die Schland weniger ekelhaft erscheinen lassen sollte, als es und die Agentur sind, soll dem Studienabsolventen Alexander Lehmann eine Abmahnung angekündigt haben, für den Fall, daß er die Domain dubistterrorist.de, auf der er seine Abschlußarbeit zeigt, nicht dicht macht [1]Das schreibt zumindest netzpolitik.org. Alexander Lehmann erwähnt in seinem Blog bislang nichts davon.

    Angeblich würde der Name der Domain und der dort gezeigte Inhalt an einen Slogan erinnern, an den sich weder KemperTrautmann, noch sonstwer erinnern kann und offensichtlich so peinlich war, daß KemperTrautmann verhindern will, daß er überhaupt je wieder jemandem einfällt.

    [Update:] Alexander Lehmann, hat die Angelegenheit bestätigt und sich mit der Werbeagentur gütlich geeinigt.

    References
    1 Das schreibt zumindest netzpolitik.org. Alexander Lehmann erwähnt in seinem Blog bislang nichts davon.
  • Die zensierte Strumpfhose

    Nicht daß ich den Kollegen von „Nerdy Room“ [1]Willi, „Strumpfhose“, Nerdy Room, nrtm.de, 03.05.2009 nicht glauben würde. Dennoch mußte ich es mit eigenen Augen sehen, wie Microsofts Suchmaschine „Live Search“ mit dem Suchbegriff „Strumpfhose“ umgeht [2]„Strumpfhose“ bei Microsoft Live Search“, 03.05.2009. Tatsächlich wird die Suche mit der lapidaren Bemerkung abgelehnt,

    „Der Suchbegriff strumpfhose führt möglicherweise zu sexuell eindeutigen Inhalten.“

    Die Suche nach Damenunterbekleidung hält der Betreiber allerdings für statthaft. Wer nach „Damenunterwäsche“ gugelt Live-Searcht [3]„Damenunterwäsche“ bei Live Search, 03.05.2009 ist nach Ansicht des Betreibers moralisch besser gefestigt, als der Strumpfhoseninteressent. Sogar so stark, daß im sogleich eine Werbeanzeige mit der Überschrift „Sexy Unterwäsche“ von Schwab präsentiet wird, die man aber direkt nicht finden könnte, weil „Sexy“ ja wieder „zu möglicherweise eindeutig sexuellen Ergebnissen“ führen könnte.

    Da hat das Complience Department aus Redmont ja ein höchst interessantes Geschäftsmodell für seine Werbekunden entdeckt. Die werden vor Begeisterung gar nicht mehr an sich halten können.

    Aber auch Herr Gugel zensiert ja schon seit vielen Jahren, ahand von geheimen Filterlisten. Eine Suche nach „BME“ [4]„BME“, google.de, 4.5.2009 zeigt unter den Surchergebnissen, daß mehrere Ergebnise „aus Rechtsgründen“ nicht angezeigt würden. Der dazu angebotene Link spricht davon, daß eine in Deutschland „zust?ndige Stelle[sic]“, die zurückgehaltenen Treffer als illegal gemeldet habe. Bemüht man die US-Version der Suchmaschine mit einer analogen Suche [5]google.com, „BME“, 03.05.2009 zeigt sich, daß das Body Modifikation-EZine ins Fadenkreuz der deutschen Zensurbehörde geraten ist. Auch wenn diese namentlich nicht genannt wird, darf man wohl stark annehmen, daß die gute alte Bundesprüfstelle für jugendgefährdene Medien dahinter steht, die ja schon seit vielen Jahren mit geheimen Filterlisten arbeitet. Nur nicht ganz so plump.

    Die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung hat ihren Höhepunkt längst überschritten. Wie die Wirtschaft auf Wachstum angewiesen ist, ist auch die Justiz darauf angewiesen, daß es immer mehr Gesetze, mehr Gerichte und größere Gefängnisse gibt. Ideologien in Gesetze einzubauem und die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung zu beseitigen, ist also die einzig logische Konsequenz. Die zensierte Strumpfhose ist nur ein Vorgeschmack auf die schöne neue Welt der Frau von der Leyen.

    Wenn das Bundesverfassungsgericht, dem Vertrag von Lissabon seinen Segen gibt, wird es ab dann nicht mehr zuständig sein, darüber zu entscheiden, ob ein Gesetz verfassungskonform ist [6]Heribert Prantl, „Auf zum letzten Gefecht — diesmal in Karlsruhe“, sueddeutsche.de, 23.05.2008, obwohl es gerade in den letzen Jahren wichtiger war, als selten zuvor.

  • Die normative Kraft des frei erfundenen

    Man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, wie selbst rational denkende Kritiker der drohenden Internetzensur die Propaganda ihrer Befürworter aufgesogen haben. So schreibt das geschätzte Scusiblog [1]Mitte April soll es mit der Internetzensur los gehen.„, scusiblog.org, 10.4.2009:

    Die Regierung glaubt wirklich 40.000 Zugriffe auf dokumentierten Kindermißbrauch im Monat mit dieser Maßnahme zu verhindern.

    Das darf man aber getrost bezweifeln. Die Fakten sind ausführlich untersucht worden. Die Regierung kann gar nicht glauben, sie könne Kindesmißbrauch verhindern. Selbstverständlich weiß sie auch, daß die Zahlen nicht stimmen, schließlich hat sie die selbst erfunden.

    Dem Gesetzgeber ist der freie Informationsfluß im Netz unheimlich. Man könnte das Internet als die erste große funktionierende Anarchie betrachten oder auch als basisdemokratischen Cyberspace mit Auswirkungen auf die Realwelt. Daß passt freilich nicht in das Konzept eines hoffnungslos überbürokratisierten Präventionsstaats, der im Wesentlichen bankrotten Banken gehört.

    Warum rettet der Staat eigentlich seine Gläubiger, bei denen er mit 1,5 Billionen in der Kreide steht? Wenn die hiesigen Banken weg sind, gründet sicher jemand neue. Da wird nun groß geschwafelt, was wir den nächsten Generationen für Schulden hinterlassen. Dabei haben die sicher keine Veranlassung, die zurückzuzahlen. Die nehmen eben neue Kredite auf, wie sie es von ihren Vorgängern gelernt haben. Der Staat als guter Schuldner wird allgemein überschätzt. Das Schneeballsystem ist noch jedes mal irgendwann zusammengebrochen. Üblicherweise werden dann die Schuldverschreibungen vernichtet und uneinsichtige Gläubiger gleich mit.

    Auf jeden Fall kann man allenfalls die Stimmen der Wähler gebrauchen, nicht aber Volkes Stimme. Der Bürger soll sich nicht in die Regiergungsgeschäfte einmischen, indem er mit geringstem Aufwand seine Meinung öffentlich macht, wie es im Netz möglich ist. Ein paar Verlage und Fernsehsender sind noch leicht im Zaum zu halten. Ettliche tausend Meinungsträger die einfach so ins Internetz schreiben könnten allerdings zum Problem werden. Also muß das Netz unter staatliche Kontrolle.

    In Deutschland ist das Netz aber, anders als in China oder den Vereinigten Arabischen Emiraten, ziemlich dezentral organisiert. Deswegen kommt die Zensur hier nicht direkt über das Innenministerium, sondern über Porno-Uschis Fruchtbarkeitsministerium. Das ist in der Volksmeinung immerhin noch einigermaßen unbelastet. Die „abstakte Bedrohungslage durch internationalen Terrorismus“ ist doch schon etwas abgenutzt. U.v.d.L. hat ihr Amt nicht inne, weil sie sechs Kinder gebar und ein weiteres adoptierte, sondern weil sie sehr genau weiß, was ihrer Karriere außerdem wirklich förderlich ist. Zum Beispiel der Zynismus [2]Zum Glück kennen manche noch den Unterschied zwischen Zynismus und Sarkasmus, Kindesmißbrauch als Grund für Zensur anzuführen.

    Man braucht wirklich nicht zu glauben, daß eine herausragende Kulturleistung wie das deutsche Grundgesetz gegenüber machtbesessenen Selbstdarstellern für immer Schutz bietet. Am Ende ist es doch nur ein Stück Papier, das das mit etwas Geschick aufgebrachte Volk mit größter Freude verbrennen wird, wenn man ihm nur eine Abwrackprämie dafür gibt.

    Auch das Internet als Störfaktor wird letzenendes maßlos überbewertet.

    [Update am 11.04.2009:]

    Daß der Schutz von Kindern vor Mißbrauch für die Apologeten geheimer Zenzur keine Rolle spielt, folgert übrigens auch der Heise-Verlag in seiner neuen Ausgabe von „c’t“ [3]Holger Bleich, Axel Kossel, „Verschleierungstaktik“, c’t, 9/09, auch online bei heise.de:

    [D]ann kann es nur um die Installation der Sperren selbst gehen. Das würde bedeuten, dass hier mit einem Vorwand eine geheime Liste eingeführt wird, die man nach und nach um weitere strafbare und unliebsame Inhalte erweitern kann.

    References
    1 Mitte April soll es mit der Internetzensur los gehen.„, scusiblog.org, 10.4.2009
    2 Zum Glück kennen manche noch den Unterschied zwischen Zynismus und Sarkasmus
    3 Holger Bleich, Axel Kossel, „Verschleierungstaktik“, c’t, 9/09, auch online bei heise.de
  • Deutsche, schaut deutsches Internet!

    We Need Freedom Of Speech!
    Creative Commons License photo credit: Youssef Hanna

    Nach dem unsäglichen Hickhack, ob eine Internetkinderpornoblockade nach dem Ermessen des BKA mit oder ohne rechtliche Grundlage erfolgen soll, lässt Justizministerin Simone Zypries endlich die Katze aus dem Sack. Wer gutgläubig oder hoffnungsfroh genug war, ihre öffentlich geäußerten Bedenken gegen die Zensur im Netz, wie Ursula von der Leyen sie plant, als Plädoyer für Rezipientenfreiheit zu deuten, mag enttäuscht sein. Die diffuse Formulierung Zypries [1]„Zypries stemmt sich gegen Vertrag zu Kinderporno-Sperren“, heise.de, 15.03.2009 ließ im Grunde erkennen, daß es nur darum geht, das Unrecht von einem im Zweifel ungültigen Vertrag in ein im Zweifel verfassungswidriges Gesetz zu gießen.

    Die Maske ist gefallen, das Totschlagargument, wer Kinder schützenswert fände, dürfe der Zensur, die nur Blockade genannt werden soll, nicht widersprechen, ist vom und die Wahrheit auf dem Tisch: „Wie können wir verhindern, dass deutsche Internetbenutzer auf ausländische Seiten gehen“, sei die Frage, sagte Zyrpies diesen Morgen [2]„Justizministerin beharrt auf Gesetz zu Internet-Filterung“, heise.de, 25.03.2009.

    Die Antwort ergibt sich eigentlich von selbst: In fünf Jahren gibt es in Deutschland nur noch De-Mail [3]„Regierung plant sichere „De-Mail““, taz.de, 18.11.2008. In diesem Projekt ist längst zu viel Geld verbrannt worden als das man es vernünftigerweise sterben ließe. Wer dort als Anbieter auftreten will, wird sich abschreckend hohe Gebühren leisten müssen und sich auf genehme Inhalte beschränken, oder draussen bleiben.

    References
    1 „Zypries stemmt sich gegen Vertrag zu Kinderporno-Sperren“, heise.de, 15.03.2009
    2 „Justizministerin beharrt auf Gesetz zu Internet-Filterung“, heise.de, 25.03.2009
    3 „Regierung plant sichere „De-Mail““, taz.de, 18.11.2008
  • Mit Internetsperren durch das Brett vorm Kopf

    Man möchte sich regelmäßig erstaunen, wenn nicht gleich übergeben, wie die unerträglich geistlosen Regenten der Republik sich in die Bresche werfen, bewährte Gesetzgebung gegen irrationale, ja wahnwitzige Moraldoktrin zu ersetzen. Kaum einen Lebensbereich möchten die indolenten Kahlschläger der Demokratie verschonen.

    Als hätte die Sozialhilfe vor ihrer Konversion zum ubiquitären Druckmittel gegen Arbeitslose und solche die es jederzeit werden könnten, je einem ein sorgloses Leben ermöglicht, geiferte schon 2006 Arbeitsminister Müntefering unter Schröder, „nur wer arbeitet, soll auch essen“ [1]Katharina Schuler, „Arbeiten fürs Essen“, Zeit Online, 10.5.2006. Eine Impertinenz für die sich jeder Wähler bis heute nur in Grund und Boden schämen kann, was freilich die damals Schröder noch wohlgesonnene „Bild“ zum Anlass nahm, Neid gegen die Armen zu schüren und dies bis heute weiter zu treiben [2]Autor nicht genannt, „Hartz-IV-Betrügerin zockte 30000 Euro vom Staat ab“, bild.de, 19.09.2008 als hätten sie etwas, um das man sie beneiden könnte. Daß Kindergeld von der Sozialhilfe abgezogen wird, erwähnt „Bild“ nicht.

    Wie in die Enge getriebene Tiere, versuchen die Politkobolde von Berlin das was eben nicht möglich ist, mit sinnloser Gewalt zu erreichen. Wer keine Arbeit findet, soll gründlicher suchen oder verrecken. Wenn Arbeit für ein Auskommen nicht mehr reicht, soll es denen ohne Arbeit eben noch schlechter gehen, auf daß die prekär beschäftigten nicht unruhig werden sollen.

    Wenn die bestehenden Gesetze schon nicht verhindern können, daß in der realen Welt hin und wieder Betrüger, Terroristen und Kinderschänder herumlaufen, kann man ja noch hirnrissigere fürs Internet erfinden und so tun, als lebten diese Leute allein im Internet. Weil die Aufgabe des Bankgeheimnisses die „abstrakte Bedrohungslage“ genausowenig abzuwenden imstande ist, wie dessen Umkehr und die Degradierung der Bankangestellten zu Erfüllungsgehilfen des Staats, musste eben beides her. Im Internet darf der Bürger dementsprechend kaum einen Mausklick wagen, ohne daß er dabei beobachtet wird.

    Was Innenministern wie Familienministerinnen an der nicht nur abstrakten, sondern eingebildeten und vor allem eingeredeten Bedrohungslage am Meisten schätzen können, ist der Umstand, daß sie niemals enden wird. Unendlich ist folgerichtig der antidemokratische Irrsinn mit dem sie das Land überziehen und seine Bürger Zug um Zug ihrer Freiheit berauben.

    Der neueste Coup kommt aus dem Ministerium von Ursula von der Leyen. Wie Schäuble vom Terrorismus, keift die Fruchtbarkeitsministerin von der an jeder Ecke lauernden Kinderpornographie und wie selbstverständlich verschwendet sie keinen Gedanken daran, dieser in der realen Welt etwas entgegenzusetzen. Als sei ein weltweiter Verbund von Computern die Wurzel allen Übels, soll nun durch die Pervertierung des Fernmeldegeheimnisses allen Bürgern eine technische Sichtblende aufgesetzt werden, auf daß die Päderasten unter ihnen nicht mehr sehen können, was dann aber ruhig unbehelligt weiter bestehen darf — gerne auch unter deutscher Jurisdiktion. Völlig neu ist der hysterische Aktionismus allerdings nicht, wie Alvar Freude [3]Alvar Freude, „jugendschutz.net, Moral und Medienkompetenz“, Blaster-Blog, 10.12.2007 bereits 2007 klar beschrieben hat. Nur wird er wie immer schlimmer.

    Freilich ist dem noch paranoideren Nachfolger Schilys, Wolfgang Schäuble der generalverdächtigende Umgang mit den Bürgern noch nicht willkürlich genug. Als wäre der Begriff „Ermittlungsparagraph“, nicht schon für seine schiere Existenz beschämend genug, dekretiert er gerade munter weitere, als wären die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nichts weiter als unverbindliche Empfehlungen für sorglose Zeiten. Dies tut er wiederum so sorglos, daß man sich nicht wundern würde, wenn er Heribert Prantl demnächst als querulatorischen Topgefährder überwachen ließe, der indessen, zwar kopfschüttelnd, aber völlig sachlich ausführt [4]Heribert Prantl, „Ein falscher Mausklick, und du bist ein Terrorist“, süddeutsche.de, 31.01.2009, warum Schäubles Umtriebe massiv gegen die Gewaltenteilung verstoßen.

    Weil auch Wirtschaftslobbyismus eine Chance bekommen soll, an den Überresten der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu rütteln bis auch der letzte Putz von der Decke rieselt, glaubt Frau Zypries, sie müsse dem unerträglichen Gejammer eines Dieter Gorny Gehör verschaffen, der unverhohlen fordert, die Anbieter von Internetzugängen hätten zu überwachen, ob ihre Kunden vielleicht auch Daten aus dem Netz ziehen, die er stattdessen zum hundertsten mal verkaufen zu können halluziniert. Würden sie fündig, möchten die Anbieter doch so freundlich sein, ihre eigenen Kunden aus dem Netz zu sperren. Vielleicht hat die Telekom ja noch ein paar Kuvertiermaschinen im Keller stehen und will die Rechnungen lieber wieder mit der Post verschicken. Frau Zypries sagt, die Sperrung von Internetzugängen sei rechtlich problematisch und würde in Frankreich, wo sie ausgemachte Sache ist, für groben Ärger sorgen [5]Johnny Haeusler, „Exklusiv: Bundesjustizministerin Zypries zu Olivenne und Internetsperrungen“, spreeblick.com, 2.02.2009 und meint damit vermutlich, sie muß sich dafür erst ein paar neue Gesetze einfallen lassen und abwarten, bis die Franzosen sich damit abgefunden haben, auf ihre Rechte zu verzichten, ehe sie mit aller gebotenen Entschlossenheit rückhaltlos umfallen kann.

    Ganz beiläufig, aus Gewohnheit und weil es langsam ohnehin schon egal scheint, alimentiert das Berliner Gruselministerkabinett möglichst jeden Multimilliardenpleiter, der sich nur als unfähig genug hervorhebt, seine größenwahnsinnigen Unternehmungen am Markt zu orientieren [6]Alexander Otto, „Glos stellt Schaeffler Sozialhilfe in Aussicht“, chefarztfrau.de, 31.01.2009  [7]„Schaeffler – In der Rettungsfalle“, Financial Times Deutschland, 30.01.2009.

    Die räuberische Wut der Legislative, egal ob ihr Kohl, Schröder oder Merkel vorsteht, kann sich der Entwicklung einer Zerstörungskraft rümen, die man sich ohne einen weiteren verlorenen Krieg, nicht hätte vorstellen wollen.

    References
    1 Katharina Schuler, „Arbeiten fürs Essen“, Zeit Online, 10.5.2006
    2 Autor nicht genannt, „Hartz-IV-Betrügerin zockte 30000 Euro vom Staat ab“, bild.de, 19.09.2008
    3 Alvar Freude, „jugendschutz.net, Moral und Medienkompetenz“, Blaster-Blog, 10.12.2007
    4 Heribert Prantl, „Ein falscher Mausklick, und du bist ein Terrorist“, süddeutsche.de, 31.01.2009
    5 Johnny Haeusler, „Exklusiv: Bundesjustizministerin Zypries zu Olivenne und Internetsperrungen“, spreeblick.com, 2.02.2009
    6 Alexander Otto, „Glos stellt Schaeffler Sozialhilfe in Aussicht“, chefarztfrau.de, 31.01.2009
    7 „Schaeffler – In der Rettungsfalle“, Financial Times Deutschland, 30.01.2009
  • Verwaiste Junggesellen

    Was ist eigentlich gegen verwaiste Junggesellen einzuwenden? „Nichts“, werden Sie jetzt vermutlich denken und sich fragen, wie ich darauf komme. Dabei ist die Antwort sozusagen amtlich: Verwaiste Junggesellen, sind die einzigen, für die sich das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend [1]Das BMFSFJ im Internetz ausweislich seines Namens nicht zuständig sieht.

    Wenn man die Zuständigkeit von UvdLs Ministerium nur geringfügig erweiterte, könnte es einfach „Bundesministerium für Leute“ heißen. Das wäre in jedem Fall sprachlich eine deutliche Verbesserung. Vielleicht wären die Mitarbeiter dann auch besser ausgelastet und müssten nicht versuchen, Kinder im fernen Ausland vor Mißbrauch zu schützen, indem sie in Deutschland eine Zensurmaschinierie gegen das Internet [2]Chaos Computer Club, „Internet-Zensur errichten lassen, die weniger gegen Kindesmissbrauch, sondern eher gegen die Demokratie wirken wird, sobald sich weitere Anwendungen für das System finden. Musiktauschbörsen [3]Thomas Knüwer, „Ursula von der Leyen und der Kampf um das Internet„, „Indiskretion Ehrensache“, Handelsblatt, 15.01.2009 und Onlineglücksspiele [4]Torsten Kleinz, „Internet: Glücksspielseiten droht Sperrung„, Locus Focus Online, 29.11.2008 stehen ja schon jetzt auf der Tagesordnung.

    Es mag ja sein, daß es den Kindern aus Thailand, Brasilien, Kenia, den Philippinen, der Dominikanischen Republik, Indien, Sri Lanka, Birma, Laos, Ungarn und Tschechien [5]Adolf Gallwitz und Bernhild Manske-Herlyn, „Kinderpornographie Entwicklung von Gegenstrategien Verbesserung der Situation betroffener Kinder„, 1999, S. 3 besser geht, wenn sie unbehelligt Teppiche knüpfen, Turnschuhe kleben oder in Minen arbeiten dürfen. Zumindest sieht das Ministerium gegen verwaiste Junggesellen dann keinen Handlungsbedarf. Wahrscheinlich hat die Fruchtbarkeitsministerin [6]Wikipedia, „Ursula von der Leyen davon noch keine Bilder im Netz gefunden.

    Nachdem es Superuschis Wunderministerium nicht gelingen will, den Deutschen das Kinderkriegen schmackhaft zu machen, werden ihm langsam die Kunden ausgehen. Die Senioren werden ja auch nicht jünger. An den verwaisten Junggesellen führt also auf lange Sicht kein Weg vorbei, es sei denn, man wäre gewillt, ein Ministerium aufzulösen, nur weil es nicht mehr benötigt wird.

    References
    1 Das BMFSFJ im Internetz
    2 Chaos Computer Club, „Internet-Zensur
    3 Thomas Knüwer, „Ursula von der Leyen und der Kampf um das Internet„, „Indiskretion Ehrensache“, Handelsblatt, 15.01.2009
    4 Torsten Kleinz, „Internet: Glücksspielseiten droht Sperrung„, Locus Focus Online, 29.11.2008
    5 Adolf Gallwitz und Bernhild Manske-Herlyn, „Kinderpornographie Entwicklung von Gegenstrategien Verbesserung der Situation betroffener Kinder„, 1999, S. 3
    6 Wikipedia, „Ursula von der Leyen
  • Kein freier Mann

    Freiheit ist relativ. Christian Klar, ein ehemaliger Terrorist der Roten Armee Fraktion ist aus seiner 26 Jahre langen Haft entlassen worden. Nicht in die Freiheit, wie „Bild“ behauptet [1]J. W. Meyer, H.-J. Vehlewald, „7:45 Uhr: Mit einer Tasche und 400 Euro in die Freiheit„, bild.de, vermutlich 22.12.2008, sondern eher in die Vogelfreiheit, wie „Bild“ sie eigens für ihn erzeugt [2]Bild und B.Z. lassen Christian Klar nicht weg“, bildblog.de, 10.1.2009.

    Chrstian Klar kann nur hoffen, daß sich die Vermutung von Rechtsanwalt Udo Vetter bewahrheitet, und der Axel-Springer-Verlag ihm „viel Geld“ [3]Udo Vetter, “Wem ich eine Vorstrafe wünsche“, lawblog.de, 10.1.2009, bezahlen muß, um seine neue durch „B.Z.“ und „Bild“ vernichtete Existenz zu entschädigen.

    Ein normales Leben wird er in Deutschland nie führen können, denn nicht nur im Kommentarwesen des „Zitty-Blog“ [4]Daniel Boese, “Kein Praktikant Klar“, blog.zitty.de, 9.1.2009 würde ihn ein aufgebrachter Mob verfolgen, so lange er sich innerhalb Deutschlands, aber außerhalb einer Gefängniszelle aufhält.

    Für ihn wäre es womöglich am Besten, Deutschland zu verlassen und in einem Land Fuß zu fassen, in dem „B.Z.“ und „Bild“ unbekannt sind. Genau das darf er aber nicht, denn die Bewährungsauflagen zwingen ihn dazu, bis zum 3. Januar 2014 [5]Restfreiheitsstrafe gegen Christian Klar zur Bewährung ausgesetzt„, Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart, 24.11.2009 hier zu bleiben. Das Geld müsste also nicht nur 5 Jahre seinen Lebensunterhalt zu sichern imstande sein, sondern auch genügen, um, als dann 62-Jähriger Mann ohne Berufserfahrung, ein neues Leben in der Fremde zu beginnen.

    References
    1 J. W. Meyer, H.-J. Vehlewald, „7:45 Uhr: Mit einer Tasche und 400 Euro in die Freiheit„, bild.de, vermutlich 22.12.2008
    2 Bild und B.Z. lassen Christian Klar nicht weg“, bildblog.de, 10.1.2009
    3 Udo Vetter, “Wem ich eine Vorstrafe wünsche“, lawblog.de, 10.1.2009
    4 Daniel Boese, “Kein Praktikant Klar“, blog.zitty.de, 9.1.2009
    5 Restfreiheitsstrafe gegen Christian Klar zur Bewährung ausgesetzt„, Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart, 24.11.2009