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  • Zu Ihrer eigenen Sicherheit

    Vor was, HypoVereinsbank, wollen Sie mich eigentlich schützen, wenn Sie mir den Zutritt zu Ihren Geldautomaten an der Münchner Freiheit nach 22.30 Uhr verweigern? Sie bescheiden mir per Schild an der Scheibe:

    „Zu Ihrer eigenen Sicherheit ist der Zugang zu unserem SB-Bereich nur zwischen 9.00 Uhr und 22.30 Uhr möglich. Wir danken für Ihr Verständnis.“

    Ihren „SB-Bereich“ empfinde ich zwar durchwegs unbehaglich, aber keineswegs sehe ich mein Leib und Leben in Gefahr, sobald ich diesen betrete. Das übrigens ganz unabhängig von der Tageszeit.

    Müsste ich befrürchten, daß eines der Geräte mir die Finger abtrennt, sobald ich nach den ausgezahlten Banknoten greife? Mutiert Ihr Automatenarsenal nächtens gar zu einer Art unkontrollierbarem Robotermob, daß mich zerreissen könnte, falls ich meine Geheimzahl falsch eintippe? Vielleicht fröhnen die Geräte bereits schon am frühen Abend dem Angebot der Schwabinger 7, so, daß sie ab halb elf bereits im Vollrausch ein paar Nullen an den Buchungsbetrag anhängen.

    Bedrohlich finde ich es dagegen, wenn Sie sich ungeprüft für mein Verständis bedanken, es also schlichtweg voraussetzen. Sie geben mir damit zu verstehen, daß es Ihnen völlig egal ist, ob ich mit Ihrem Treiben einverstanden bin.

    Zu Ihrer eigenen Sicherheit, werde ich künftig keine Gebühren an Sie entrichten und danke für Ihr Verständnis.

  • Küchenwerkzeug

    Diese zugegeben diletantische Aufnahme zeigt ein in meiner Küche unentbehrliches Instrument. Der Sinn dieses Werkzeuges mag sich selbst dem kartoffelpüreeaffinen Leser nicht auf den ersten Blick erschließen, weil Kartoffelbrei inzwischen meist aus gefriergetrockneten Flocken aus dem Hause namhaften Lebensmittelchemiefabrikanten zubereitet wird.

    Obwohl diese Kunstprodukte konstant eine vergleichsweise verträgliche Konsistenz haben und seit Jahrzenten gleichbleibenden Geschmack aufweisen, will ich mich nicht so recht damit anfreunden.

    Lieber stelle ich Kartoffelbrei selbst her. Aus mehlig kochenden Kartoffeln, Milch und viel Butter. Dazu Salz, auf jeden Fall Muskatnuß, gerne etwas Hühnerbrühe und aus optischen Gesichtspunkten lieber weißen als schwarzen Pfeffer.

    Damit die Speise eine luftige Konsistenz erhält, muß die Milch kochend mit einem Schneebesen unter die zerstampften Kartoffeln gerührt werden. Der elektrische Pürierstab ist da als Ersatz für den Stampfer komischerweise völlig ungeeignet. Er zeitigt aus noch unerforschten Gründen nichts als Kartoffelschleim.

    Wer sich vor kleinen Kartoffelstückchen fürchtet, kann die gekochte Knolle auch getrost durch die flotte Lotte drehen, oder durch eine Kartoffelpresse quetschen. Ich stampfe lieber, weil es weniger Aufwand ist.

    Das abgebildete Instrument ist dafür besser geeignet als jedes andere, das ich je verwendet habe. Es arbeitet sich gleichmäßig durch die Kartoffelmasse, lässt sich leicht reinigen und besticht obendrein durch angenehm einfache Gestaltung. Es ist ja im Grunde nur ein Stück Draht. Aber eben geschickt gebogen.

    Eine weitere Stärke zeigt dieses Werkzeug übrigens bei der Herstellung einer speziell in Bayern beliebten Zubereitung aus Frischkäse und Camembert. Ein halbes Kilo Obatzda mit einem bestielten Lochblech herzustellen geht nämlich gar nicht. Mit diesem Stück Draht ist es dagegen ein reines Vergnügen.

    Leider ist unklar, wer der mutmaßlich italienische Hersteller dieses Kartoffelstampfers ist. Ich erstand ihn einst preiswert in einem ansonsten grotesk teuren aber exzellent sortieren Küchengeschäft in der Hackenstraße.

  • Textanalyse

    In einem Artikel über Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Verlagsgruppe Axel Springer, schrieb Klaus Boldt im Manager Magazin:

    Ein Zweifel lief wie ein Zaun durch seine Seele: Er hatte etwas gewollt und nicht bekommen – und fühlte sich als Verlierer. Aber er hatte auch keinen Fehler begangen, außer vielleicht den, ganz fest ans Gelingen zu glauben – und so konnte er das Scheitern auch nicht als Niederlage empfinden. Und doch war es unbestreitbar: Hier war etwas vorübergegangen. Und während es vorüberging, hatte es etwas mitgenommen.

    Der Autor erklärt stimmungsvoll, daß es keine Niederlage sei, zu verlieren. Kühn erklärt er ganz nach Managerart das Scheitern zum Sieg.

    Methaphorisch vergleicht er Zweifel mit einer befestigten Trennlinie zwischen Grundstücken. In Boldts Text wird Döpfners Seele in einzelne Besitztümer aufgeteilt. Der Autor zeigt, wie die gescheiterte Übernahme von Pro7Sat1 en passant Parzellen von Döpfners Innerstem verzehrt, gleichsam zur feindlichen Übernahme gerät.
    Eine besondere Bedeutung kommt dem „Etwas“ zu. Wie ein gespenstisches Säugetier hatte es „etwas mitgenommen“. Dabei unterstreicht Herr Boldt den Zwiespalt des Springer-Chefs dadurch, indem er zwei Etwase in die Geschichte einfließen lässt. Das Etwas nimmt nicht sich selbst mit, sondern ein anderes metaphysisches Etwas, daß Döpfners Seele entstammt, ihr aber dennoch nicht mehr angehört, sondern durch den Zaun abgegrenzt ist.

    Durch den fast völligen Verzicht auf Adjektive erhält der Text den Nimbus einer Nachricht, obwohl er praktisch ohne Informationsgehalt auskommt.

    Im Kontext einer Fachzeitschrift für Führungspersönlichkeiten zeigt die Freiheit von Inhalt und Aussage selbstironisch, daß Management heute im Wesentlichen die Umwälzung von heißer Luft bedeutet und man als Zeitschrift sogar lauwarme Darmwinde verkaufen kann, wenn man sich nur an die richtige Zielgruppe wendet.

  • Nutzloses Wissen I

    Alufolie ist auf einer Seite matt und auf der anderen glänzend, weil sie bei der Herstellung in zwei Lagen durch durch Walzen läuft. Die Seite, die mit der polierten Oberfläche der Walze in Berührung kommt, wird glänzend, die andere bleibt matt.

  • Potsdamer Rechtsdrall

    Wenn ich lese, „brutal zusammengeschlagen“, denke ich an exzessives Prügeln und Treten. Offenbar wurde der Ingenieur Ermyas M. von einem einzelnen Fausthieb getroffen, der ihn allerdings lebensgefährlich verletzte.
    Die Aufzeichnung auf der Handy-Mailbox seiner Gattin, mit der er zum Tatzeitpunkt verbunden war, belegen, daß die Täter ihn als „dreckigen Neger“ beschimpft haben. Das zeigt eine rassistische Grundhaltung der Täter. Aber belegt es auch, daß die Täter den Mann aus rassistischen Motiven töten wollten, wie die Presse nahelegt?

    Ich bezweifle nicht, daß es solche Fälle gibt. Die gibt es mit Sicherheit sogar reichlich. Dieser könnte ein solcher sein. Es ist zu begrüßen, daß Generalbundesanwalt Kay Nehm den Fall an sich zieht, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. Allerdings spricht manches dafür, daß dieser Fall sich dafür nicht gerade besonders gut dafür eignet.

    Den laufenden Ermittlungen zufolge haben die mutmaßlichen Täter keinen Kontakt zu rechtsradikalen Gruppierungen. Zudem spricht vieles dafür, daß der Fausthieb der Höhepunkt eines Streits war, in dem auch das stark alkoholisierte Opfer sich bereits zu Handgreiflichkeiten hatte hinreissen lassen. Die „Märkische Allgemeine“ berichtet, das Opfer habe zuvor nach den späteren Tätern getreten.

    Nüchtern betrachtet sieht die Angelegenheit eingedenk der bisherigen Faktenlage bislang eher nach einer Kneipenschlägerei aus. Aufgrund eines einzelnen Faustschlags eine Tötungsabsicht zu unterstellen ist kaum haltbar. Es ist trotz der Beschimpfung unklar, ob die Hautfarbe des Opfers ausschlaggebend für die Tat war.

    Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm löst zwar besonders mit seinem Hinweis auf „blonde und blauäugige“ Gewaltopfer Brechreiz aus, dennoch hat der bekanntermaßen xenophobe Politiker in einem Punkt recht: Das Motiv der Tat ist bislang nicht erwiesen.

  • Giftspritze

    Die in den USA beliebteste Methode, von staatswegen Menschen zu töten ist die sogenannte Giftspritze. Dieses Verfahren gilt als human. Wie auch immer man dieses Adjektiv mit der Tötung eines Menschen in Einklang bringen soll. Es bestehen doch erhebliche Zweifel, ob dieses Vorgehen für den Betroffenen zumindest schmerzlos ist. Im Grunde ist die Bezeichnung Giftspritze unzutreffend, weil es sich eigentlich um drei verschiedene Substanzen handelt, die der Reihe nach in die Venen des Delinquenten gespritzt werden.

    Der tödliche Stoff ist eine Kaliumchloridlösung, die schnell genug und in ausreichender Konzentration gespritzt, zum Herzstillstand führt, in Folge dessen das Gehirn nach einigen Minuten durch Sauerstoffmangel abstirbt. Die Injektion von Kaliumchlorid ist äußerst schmerzhaft.

    Damit der Delinquent nicht zuckt und zappelt oder sonstige Bewegungen machen kann, die nach Todeskampf aussehen, wird vorher ein Mittel, meist Pancuronium, injiziert, das die Muskeln lähmt. Davon ist auch die Atemmuskulatur betroffen. Bei chirurgischen Eingriffen, wo ebenfals Muskelrelaxantien zum Einsatz kommen, muß der Patient deswegen künstlich beatmet werden. Die Wirkung von Pancuronium setzt nach drei bis fünf Minuten ein und hält für ein bis zwei Stunden an.

    Davor wird zur Betäubung ein Barbiturat verabreicht, üblicherweise Natrium-Thiopental. Das ist ebenso wie bei einer Narkose für medizinische Eingriffe auch bei den Hinrichtungen problematisch, denn Bewußtsein oder Bewußtlosigkeit ist nicht meßbar. Man kann von außen praktisch nicht feststellen, ob es wirkt. Allenfalls der Patient oder Delinquent könnte darüber Auskunft geben, wäre er nicht gelähmt. Thiopental hat im Gegensatz zu anderen Barbituraten eine sehr kurze Wirkungsdauer von 5 bis 15 Minuten. Deswegen kann es leicht vorkommen, daß der Todeskandidat bei der schmerzvollen Kalium-Infusion längst wieder bei vollem Bewußtsein ist. Wenn die Wirkung bis zum Eintritt des Todes anhält, wäre das kaum mehr als ein glücklicher Zufall.

  • Sensation: Wasser fließt abwärts!

    Das Institut für Informatik der Universität Holland hat ein Computerprogramm namens Moodviews entwickelt, das die Stimmung der Menschen die Weblogs schreiben, messen soll. Anstelle von komplizierten Analysen der Texte, setzt das System auf Stimmungsmarken, wie sie einige Blogsysteme anbieten, wo die Autoren ihre jeweilige Stimmung auf einer Liste ankreuzen können.
    Daraus lassen sich bahnbrechende Erkenntnisse gewinnen, wie etwa die, daß am Neujahrstag viele Menschen verkatert sind, oder die Mehrzahl der Menschen sich im Sommer wohler fühlt als im Winter.

    Gespannt darf man sich vielleicht schon bald auf ein neues Instrument des Web 2.0 freuen, das gar enthüllt, daß man nass wird, wenn man sich in den Regen stellt.

  • Gefallen lassen

    Wenn die katholische Kirche den Menschen in Tansania erklärt, daß sie in den Himmel kommen, wenn sie keine Präservative verwenden, folgt das einer gewissen Logik. Immerhin rückt das Ableben durch HIV so doch in greifbare Nähe. Die Geschichte mit dem Paradis ist zwar umstritten, aber bislang hat noch kein Toter bei der Kirche seine Spenden und Kirchensteuern wegen einseitiger Nichterfüllung des Vertrages zurückverlangt.

    Grund genug für den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, Kritikern der Kirche den Mund verbieten zu wollen. Dazu möchte er gerne den Teil „die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“ aus dem § 166 des Strafgesetzbuches streichen.

    … wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

    Bislang hat sich Satire in der Bundesrepublik Deutschland noch nie als geeignet erwiesen, den öffentlichen Frieden zu stören. Deswegen ist es fast nur Privatpersonen gelungen, gegen eine satirische Darstellung ihrer Person vorzugehen.

    Allerdings birgt eine komische überspitzte Darstellung einer Sache immer das Risiko, daß der Rezipient nicht nur zm Lachen, sondern auch zum Nachdenken angeregt wird. Eigenständiges oder gar kritisches Denken ist zur Zeit nicht sehr beliebt. Deswegen soll lieber mehr gefrömmelt, vor allem aber das Maul gehalten werden.

    So teilt Edmund Stoiber, der bayerische Ministerpräsident, dem Münchner Merkur zur von MTV geplanten Ausstrahlung der Comic-Serie Popetown mit, „wenn man den Papst in dieser Weise darstellt, müssen wir uns das als Gesellschaft nicht gefallen lassen“.

    Eine freie Gesellschaft muß es sich nicht gefallen lassen, wenn ihr verboten werden soll, Kritik zu üben.

  • „Es kann nicht angehen“, finden Sie, Herr Söder,

    daß „jede noch so geschmacklose religiöse Beleidigung unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit durchgeht“, wie Sie der Rheinischen Post zu verstehen gaben. Meinen Sie da jetzt eher protestantische oder katholische Beleidigungen? So ganz können wir uns das nicht vorstellen. Gehen diese Beleidigungen denn überhaupt regelmäßig zum Gottesdienst? Wenigstens am Sonntag? Auch nicht? Haben wir uns fast gedacht.

    Ihre Ministranten vom Fellow Passenger

    PS.: Der Deckmantel der Meinungsfreiheit ist der Gipfel der Bodenlosigkeit.