Autor: Fellow Passenger

  • Ausnahmezustand

    Es ist beinahe zwölf Uhr nachts und man könnte gemütlich im Bett liegen und von einer friedlichen und freien Welt träumen. Doch, ach, fanatisierte Fußballproleten grölen zu Fuß mit heiserer Stimme etwas, das wie „Schmand“ klingt. Andere fahren, neuerdings mit Nationalflaggen bestückte, Kraftfahrzeuge unter unseren Fenstern hin und her und bringen mit ihrem hysterischem Hupkonzert auch den letzten Nachbarn um den Schlaf, obschon der Verlauf eines Fußballspiels mitnichten eine unmittelbare Gefahr für den Straßenverkehr darstellt, vor der durch Hupen gewarnt werden müsste.

    Zudem darf man wohl auch fragen, worin die solcherart bejubelnswerte Sensation liegt, wenn Deutschland gegen Österreich in einem Fußballspiel obsiegt. Hätte jemand mit dem Gegenteil gerechnet, wäre dieses Kleinod aus dem Genre Dokumentarsatire vermutlich nie entstanden.

  • Sie, Jochen Grothe, Bürgermeister von Amstetten, Baden Würtemberg,

    haben in der „Titanic“ eine Reportage über Amstetten mit dem Titel „Eine Stadt weiß von nichts“ gelesen und haben darauf den „Oberösterreichischen Nachrichten“ anvertraut, daß Sie nun rechtliche Schritte gegen die „Titanic“ prüfen lassen wollen. „Wir wollen eine Richtigstellung, weil für uns zu wenig herauskommt, daß es um ein anderes Amstetten geht.“

    Wenn nun aber noch weniger, also zum Beispiel überhaupt nicht, herauskäme, daß „Titanic“ in einem anderen Amstetten recherchiert hat, als dem in Österreich, wäre es dann noch viel schlimmer? Oder würde es Ihnen Erleichterung verschaffen, wenn irgendwo, vielleicht im Titel, stünde, „Amstetten in Baden Würtemberg, eine Stadt weiß von nichts“? Andererseits steht es ja schon in Zeile 60, in einem Dialekt, der Ihnen bekannt vorkommen müsste.

    Sie möchten darauf hinweisen, daß Ihr Amstetten in einem Land liegt, in dem Väter ihre Kinder nicht mißbrauchen und im Keller gefangen halten, sondern Mütter ihre Kinder umbringen und in die Tiefkühltruhe stecken? Statt rechtliche Schritte prüfen zu lassen können Sie ja mal einfach so eine Gegendarstellung an die „Titanic“ schicken. Mit etwas Glück druckt sie die freiwillig. Wir läsen sie bestimmt gerne.

    Ihre Titanic-Leser vom

    Fellow Passenger

  • Open Water

    Wenn Sie mal einen Film drehen möchten, der das Zeug dazu hat, den Golden Trailer Award als „bester Thriller“ zu gewinnen, geben wir Ihnen hier einige Tips an die Hand, mit denen Sie zusätzlich noch eine Nominierung als „bester Independentfilm“ abstauben können. Den Saturn Award für den „besten Horrorfilm“ haben Sie damit ebenfalls so gut wie in der Tasche.

    Sie benötigen dazu viel Wasser. Idealerweise verbinden Sie die Aufnahmen mit einem Badeurlaub, notfalls genügt aber auch ein Spülbecken und etwas blaue Lebensmittelfarbe. Setzen Sie zwei gewöhnliche Weinkorken ins Wasser und filmen Sie etwa eine dreiviertel Stunde lang, was geschieht.

    Gestrandeter SektkorkenEs geschieht nichts? Gut so! Damit erreichen sie genau das gleiche und damit gewünschte Ergebnis, wie Chris Kentis mit seinem Werk Open Water: Das Schauspieltalent von im Wasser treibenden Weinkorken, gefühlte drei Stunden quälende Langeweile und die vergebliche Hoffnung auf eine überraschende Wende.

    Als guter Filmemacher müssen Sie natürlich den Hintergrund Ihrer Vorlage kennen. Deswegen hier die umfassende Beschreibung der Handlung: Wegen eines Mißverständnisses treibt ein Ehepaar bei einem Tauchausflug tagelang allein in der Karibik und stirbt schließlich an Erschöpfung.

    Fairerweise muß man einräumen daß der Film durch ungewöhnliche Kameraeinstellungen einige Lacherfolge für sich verbuchen kann. Die sehr ausführliche Darstellung, wie die männliche Hauptrolle einen Kofferraum mit Reisegepäck bestückt, ist zwar für die Handlung ohne Belang, gewinnt aber dadurch, daß der Zuschauer diese langatmige Einstellung unter anderem aus der Perspektive eines unter dem Auto liegenden Beobachters verfolgen darf.

    Auch eine charmant choreographierte Action-Einstellung hat „Open Water“ zu bieten. In einem preiswerten Hotelzimmer entspinnt sich eine wilde Jagd auf einige Stechmücken, in deren Verlauf einige der Fluginsekten unter den Schlägen mit einer Zeitung ihr Leben lassen.

    Nach diesem Gemetzel verliert der Film allerdings zusehends an Tempo. Nach einer mehr als ausführlichen Darstellung der Bootsfahrt zum Tauchgang, darf man das Paar rund eine dreiviertel Stunde lang dabei begutachten, wie es sich, im Wasser treibend, über Belanglosigkeiten streitet, von Quallen und kleinen Fischen traktiert wird.

    In den letzten Minuten sterben die Hauptdarsteller endlich an Erschöpfung und erlösen den Zuschauer vor dem nahenden Tod durch Langeweile.

    Weitere, teils interessante Meinungen zu „Open Water“ finden sie bei

    Bildquelle: JustforFoto

  • Junkies bremsen nicht für Holzklötze

    Die „Süeddeutsche Zeitung“ zitiert Reiner Gerke, den Leiter der Sonderkomission „Brücke“, die im Fall des tödlichen Holzklotzwurfs ermittelt, wie folgt:

    Es wäre doch wenig wahrscheinlich, sagt Gerke, dass jemand, der seit zehn Jahren drogenabhängig ist, auf dem Weg zu seinem Dealer vom Fahrrad absteige, um einen Klotz aus dem Weg zu räumen.

    Alles klar, Herr Komissar! Ein Drogenkonsument identifiziert das Hindernis zunächst als Grottenschrat (Halluzination) und versucht erschrocken, ihn zu umfahren. Dabei verwechselt er aber Bremsgriff und Pedale (Ataxie) und prallt aus voller Fahrt genau auf den Holzklotz (Rumms).

    Dieser Holzklotz tötete die Mutter zweier Kinder Nach einer Phase der Orientierungslosigkeit versucht der Junkie, sein Fahrad zu finden, was aber nicht gelingt (Tunnelblick). Er hält den Baumstamm für sein brennendes Fahrad und wirft es kurz bevor es explodiert die Klippen hinunter ins Meer. Danach reitet er auf dem Holzbrocken in den Sonnenuntergang wo schon sein nächster Schuß auf ihn wartet.

    Offenbar unter dem Eindruck dieser Indizien gestand Nikolai H. während eines Verhörs, bei dem er – „zum Aussagezeitpunkt auf Entzug“ – von einem Arzt betreut wurde.

    Es wäre doch wenig wahrscheinlich, daß jemand, der sein zehn Jahren drogenabhängig ist, einfach alles mögliche sagt und unterschreibt, wenn er nach drei Stunden Verhör auf Turkey ist und der gute Onkel Doktor mit einer leckeren Spritze neben ihm steht.
    Bildquelle: Streetpreacher86

  • Vermeintliche Werbegeschenke

    Der Werbeblogger schrieb, daß Louis Vuitton sich bei der Künstlerin Nadia Plesner darüber beklagte, daß diese auf einem T-Shirt unter anderem eine Handtasche abbildete, die irgendwie ähnlich aussieht, wie eine des Handtaschenherstellers. Eine eher seltsame Geschichte, die wir hier auch gar nicht weiter untersuchen wollen.

    Wenn man sich diese Taschen, zum Beispiel diese hier, ansieht, sollte man annehmen das es sich um ein Werbegeschenk von Lois Vuitton handelt. Penetrant leuchtet einem an jeder nur erdenklichen Stelle kreischbunt das Firmenzeichen entgegen.

    Erfahrungsgemäß verwenden die meisten Leute am liebsten solche Werbegeschenke, die, wenn überhaupt, nur einen dezenten Hinweis auf den Spender tragen. All zu aufdringlich Bedrucktes ist dazu verdammt, auf dem Dachboden zu verstauben. Wer sich wie eine Litfaßsäule herumzulaufen bereit erklärt, ist in der Regel Profisportler und läßt sich dafür fürstlich entlohnen.

    Tatsächlich gibt es aber auch Menschen, die das völlig anders sehen. Sie verzichten nicht nur auf entsprechende Werbeeinnahmen, sondern blätten sogar 400 US-Dollar hin, um solch einen abstoßenden Beutel öffentlich herumtragen zu dürfen. Dabei könnte man sich für diesen Preis bestimmt auch ohne weiteres etwas hübsches anfertigen lassen. Notfalls kann man ja auch den Preis reinsticken lassen. Darum geht es bei solchen Produkten ja wohl.

  • SMS 2.0 beta aka Twitter

    Sie ahnen vielleicht bereits wegen des Titels, daß Sie hier nicht auf glühende Anhänger des Kurznachrichtendienstes besser bekannt als Short Message Service (SMS), stoßen werden.
    Warum sollte man für unverhältnismäßig viel Geld, mehrere bis zur Unkenntlichkeit entstellte Satzstummel hin und her schicken, die man mühselig auf einer Minitastatur mit drei- bis vierfach belegten Tasten zusammenstöpseln muß, wenn man doch in einer einzigen Minute Gespräch sogar ungleich komplexere Sachverhalte ohne weiteres erschöpfend erörtern kann?

    Bei genauerer Untersuchung hat sich sogar herausgestellt, daß die Apparate zur Übermittlung von Buchstaben bereits eine zusätzliche Funktion eingebaut haben, mit der man mit dem gewünschten Adressaten einfach sprechen kann, als säße man ihm gegenüber. Diese technische Sensation birgt ein gewaltiges Potential. Wenn sich das eines Tages durchsetzt wird das unsere Gesellschaft sicher verändern.

    Als der letzte Schrei, oder wie man auf Neudeutsch sagt, the next big thing,  scheint sich Twitter abzuzeichnen. Die Idee: Man nimmt ein Medium mit dem sich vollständige Sätze, Bilder, Tonaufnahmen, und sogar Filme übermitteln lassen und begrenzt es auf 140 Buchstaben. Das klingt auf den ersten Blick reichlich schwachsinnig. Auf den zweiten Blick wirkt es allerdings anders. Völlig schwachsinnig, nämlich.

    Trotzdem muß man ohne Neid anerkennen, daß die Idee von Twitter hervorragend ist. SMS ist mühevoll, beschränkt und nach allen praktischen Erwägungen nichts als Quatsch, für den Besitzer von Reisefernsprechern aber trotzdem bereit sind, ein Vermögen auszugeben und die Anbieter praktisch nichts kostet. Twitter ist genauso, nur billiger für den Anwender. Das muß ein Erfolg werden. So dürfte zumindest das Kalkül der Erfinder von Twitter gewesen sein. Wie es scheint liegen sie damit richtig. Der moderne Netznomade liebt es, Halbsätze zu verbreiten und kann es so endlich auf die „technischen Beschränkungen“  schieben, wenn es seinen Absonderungen an Substanz mangelt.

    Zudem ist Twitter in aller Munde. Herr Gugel berichtet fast 30 Millionen Erwähnungen dieses Begriffs. Spätestens der Umstand, daß die Spam-Industrie diesen, nennen wir es Dienst, für sich entdeckt hat, ist ein sicherer Hinweis auf ein Erfolgsmodell.

    Unsere Einschätzung in Twitter-tauglicher Kurzform: Sic transit gloria mundi!

    Ausführlicher resümieren wir: Mit einer richtigen Tastatur ließen sich SMS auch leichter schreiben. Der nächste Dotcom Milliardär wird aber womöglich, wer Computer mit Tastaturen auf den Markt bringt, die nur 12 statt 105 Tasten  haben. Dann muß niemand mehr so lange Texte wie diesen lesen, weil sie erst gar nicht mehr geschrieben werden.

  • Herr Glos will Trockenwasser

    Wie passend! Gerade attestiert der Bundesrechnungshof, daß 1-Euro-Jobs Arbeitsplätze vernichten, schon fordert Herr Glos, wir sollen den Sozialhilfeempfängern gleich noch mal richtig ins Gedärm treten.

  • Billige Bahnfahrkarten

    Weil Fahrkarten für die selbe Strecke unterschiedlich viel kosten, je nachdem in welchem Land man sie kauft, werden sie nun auch über Internet angeboten.

    Weil es Beschiß sein könnte, wenn Sie sich von der Bahn nicht bescheißen lassen wollen, müssen wir aber dringend davon abraten, Fahrkarten woanders als bei der Bahn zu kaufen.

    (gefunden bei fefe)

  • Neulich auf dem Reichtagsklo

    A: Manchmal finde ich diese riesigen Managergehälter ja schon übertrieben.

    B: Ja, wirklich. Die stümpern da rum und bekommen Millionen dafür.

    A: Die Unternehmen können es sich eben leisten.

    B: Und wem haben sie das zu verdanken?

    A: Na uns!

    B: Und was haben wir davon?

    A: Also ich habe gerade zwei Millionen, äh … Nichts haben wir davon. Wir sind immer die Dummen.

    B: Nur zwei Millionen? Das ist bitter. Aber so kann es doch nicht weitergehen. Wir stehen für Gerechtigkeit mit unserer Partei. Da müssen wir langsam wirklich mal was unternehmen.

    A: Da hast Du recht. Wenn ich an all die armen Hinterbänkler denke, wird mir ganz anders. C soll neulich schon in der Bahn zweiter Klasse gefahren sein.

    B: Schlimm! Demnächst muß man sich vielleicht auch noch zum Fahrer mit ins Auto setzen, das der an den Zielort transportiert.

    A: Soweit kommt’s noch! Lass uns lieber die Däten erhöhen.

    B: Werden da nicht die Deppen sauer, die seit Dekaden Nullrunden über sich ergehen lassen müssen?

    A: Bestimmt. Aber was wollen die schon machen?

    B: Hihi, die Linke wählen, vielleicht?

    A: Hahaha, oder gleich die NPD.

    B: Wer war das gleich nochmal?

    A: Egal, die kriegen dann auch mehr. Hehehe!

    B: Sagen wir so zweieinhalb Prozent?

    A: Das ist so eine krumme Zahl. Machen wir lieber gleich drei.

    B: Puh, Du bist echt hart im Verhandeln. Also gut. Aber, vier ist mein letztes Wort.

    A: Das ist mir nicht machbar! Fünf Prozent, oder es gibt gar nichts.

    B: Bitte, wir wollen doch vernünftig bleiben und können sicher einen Kompromiss …

    A: Sechs also?

    B: Deal!

    Es folgt einträchtiges Rauschen zweier Toilettenspuelungen.